Auftritt in Düsseldorf Wie Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen die Welt sieht

Für die einen ist er der „Sarrazin der CDU“, für die anderen schlicht ein Fakten-Nenner: Der ehemalige Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen hat die Frauen-Union in Düsseldorf besucht. Eine Beobachtung.

Hans-Georg Maaßen, früherer Verfassungsschutzpräsident, hält seine Rede auf Einladung der Frauen-Union in Garath. Maaßen wurde von der CDU-Politikerin Sylvia Pantel als Redner nach Düsseldorf eingeladen.

Foto: dpa/David Young

Durchdringend wirkt sein Blick durch die kleinen Brillengläser. Und fokussiert. So fokussiert und auch thematisch eng, wie Hans-Georg Maaßen über die innere Sicherheit in Deutschland berichtet. Die Frauen-Union in der CDU hat den ehemaligen Präsidenten des Verfassungsschutzes nach Düsseldorf-Garath eingeladen, 200 Zuhörer sind gekommen. Kritik an der Einladung gab es zu Genüge. „Aber wir haben immer noch die Meinungsfreiheit“, beugt Sylvia Pantel, stellvertretende Landesvorsitzende der Frauen-Union und Mitglied des Bundestages, vor. Maaßen habe sich nichts zu Schulden kommen lassen. Deshalb darf er unter Polizeischutz vor vollem Saal sprechen.

Im November 2018 war Maaßen von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) nach wochenlangem politischen Getöse in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden. Eigentlich war eine Beförderung zum Staatssekretär ausgehandelt. Nachdem Maaßen aber eine Abschiedsrede hielt, in der er Teile der Regierungspartei SPD als linksextrem bezeichnete, blieb der Weg nach oben versperrt. Maaßen war raus.

Jetzt ist er wieder als Anwalt tätig. Und reist als Redner von Veranstaltung zu Veranstaltung. Oder gibt Interviews. Jede Menge. Auch der „Neuen Zürcher Zeitung“. Jenem Blatt, das er jüngst als „neues Westfernsehen“ titulierte. Die Zeitung, die als Schweizer Leitmedium mit ihren Essays über deutsche Moral und Gesinnungsethik von Maaßen besonders oft auf Twitter zitiert wird, wehrte sich öffentlich dagegen. Vielleicht hat es ihr aber auch gefallen.

Maaßen: Vielen geht es um Ideologie, nicht um Argumente

Sachlich und bemüht seriös trägt er Daten, Fakten und Meinungen in der Garather Freizeitstätte vor. Selbst ein Zwischenrufer, der das Gesagte als „Fakenews“ tituliert, bringt Maaßen nicht aus der Fassung. Die sachliche Ebene, so betont Maaßen immer wieder, sei die wichtigste. Deshalb stellt er sich auch noch so harsch gestellten Fragen. Maaßen kritisiert, dass es vielen Menschen nicht um Argumente gehe, sondern um Ideologie.

Auf Twitter ist er weniger sachlich. Als er die Seenotrettung mit einem Shuttle-Service verglich, forderten selbst Parteikollegen seinen Parteiausschluss. Für die einen ist Maaßen ein Nazi, für andere ein Verschwörungstheoretiker. Und für wieder andere einer, der endlich mal sagt, was Sache ist. Dabei sind es stets die Themen Asyl, Integration und Kriminalität, die seine Arbeit bestimmen. Seine Dissertation verfasste er über die Rechtsstellung des Asylbewerbers im Völkerrecht. Ein Thema, das ihn eigentlich als qualifizierten Kenner ausweisen könnte. Für seine Kritiker ist es nur der Beweis für schon immer da gewesenes rechtes Gedankengut.

Seit 1991 war Maaßen im Bundesinnenministerium beschäftigt. Als er zehn Jahre später als Referatsleiter für Ausländerrecht unter Innenminister Otto Schily (SPD) zu dem Schluss kam, dass der in Guantanamo inhaftierte Murat Kurnaz keine Aufenthaltsgenehmigung mehr für Deutschland habe, da er keine neue beantragt hatte, geriet Maaßen öffentlich in die Kritik. Später sagte Schily, es sei Maaßens Job gewesen, die rechtliche Lage abzuklären. Maaßen tritt ein für Recht und Gesetz. Das kommt nicht überall gut an.

„Wir haben es mit zweierlei Rechtsstaaten zu tun. Einmal mit einem gnadenlos vollziehenden Rechtsstaat und einmal mit einem, der beide Augen verschließt, selbst die Hühneraugen“, sagte Maaßen am Freitagabend in Garath. Ersteren gebe es, wenn es um Parkverstöße und beringte Laufenten gehe, den anderen bei illegalen Einreisen und nicht vollzogene Abschiebungen. Bei 240.000 ausreisepflichtigen Ausländern würden beide Augen zugedrückt, das sei die Erosion des Rechtsstaates, die Aggressionen schaffe. Das Publikum johlt und klatscht. Er äußere sich nicht, um Nachzutreten, sondern weil er sich ernsthaft Sorgen um die Sicherheit Deutschlands mache.

Maaßen geht es um nicht integrationswillige Migranten, er hat die „Destabilisierung Deutschlands“ im Blick. Während er in Garath über zwei Stunden Rede und Antwort steht, wird gerade wieder das Düsseldorfer Rheinbad geräumt. So etwas bestärkt Maaßen. Und jene, die ihm Recht geben. Recht gehöre durchgesetzt, unschöne Bilder müsse man aushalten, sagt er. „Wo wären wir heute, wenn Helmut Schmidt damals gesagt hätte: Die Bilder vom toten Hanns Martin Schleyer im Kofferraum halte ich nicht aus, wir lassen alle RAF-Gefangenen frei?“ Wieder ist das Publikum angetan.

2012 wurde der gebürtige Mönchengladbacher zum Präsidenten des Verfassungsschutzes ernannt. 2018 wurde spekuliert, dass er die AfD beraten hätte. „Mich wundert, dass die Medien nicht gefragt haben, was in den anderen 240 Gesprächen mit Politikern besprochen wurde“, sagt Maaßen hier in Garath. Er fühlt sich falsch dargestellt. „2015 hatten wir eine Willkommenspresse“ sagt Maaßen.

Auf Twitter teilte er wie zum vermeintlichen Beweis eine Studie der Otto-Brenner-Stiftung dazu. Er ist auch heute davon überzeugt, dass es keine Hetzjagden auf der Demonstration nach einem Mord in Chemnitz gegeben habe, seinerzeit waren ihm diese Worte zum Verhängnis geworden, Maaßens Abstieg im Amt begann. Er findet: zu unrecht. „Sowohl der sächsische Ministerpräsident, die Staatsanwaltschaft, der Chef des sächsischen Verfassungsschutzes und der Chefredakteur der Lokalzeitung haben bestätigt, dass es sie nicht gegeben hat.“

Seit er nicht mehr im Amt ist, sind seine Worte noch schärfer. Eine Sprecherin der Union der Mitte, Karin Prien, fragte ihn kürzlich, ob sich Maaßen denn angesichts all dessen überhaupt noch wohl fühle in der CDU. „Die Probleme werden nicht kleiner, wenn man sie nicht thematisiert“, sagt er dazu. Es habe in der CDU nach wie vor keine echte Diskussion über die Migrationspolitik stattgefunden, obwohl sie einen Grundkonsens in der Gesellschaft und der EU beschädigt habe. „Ziel des Ausländerrechtes ist es auch, dass keine Kriminellen nach Deutschland kommen“, sagt er. Bei rund 70 Prozent der Asylsuchenden sei deren Identität aber unklar. Nach wie vor kämen rund 500 Menschen pro Tag ins Land, gibt er an und blickt fokussiert durch seine kleine Brille: „Ich sehe nicht, dass wir unsere Lektion gelernt haben. Es ist schlimm. Wir müssen uns dem stellen.“