Politik Die Kanzlerin hat den Jamaika-Scharmützeln bisher zugesehen — nun meldet sie sich zu Wort

Berlin. „Guten Tag“ und „Gute Nacht“. Viel mehr haben die wartenden Journalisten vor der Parlamentarischen Gesellschaft von der Kanzlerin in den letzten zwei Wochen der Jamaika-Sondierungen nicht zu hören bekommen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor der Deutschen Parlamentarische Gesellschaft in Berlin.

Foto: Michael Kappeler

Immer lauter ist daher in Berlin gefragt worden: Wo ist Angela Merkel? Was macht sie eigentlich? Die CDU-Chefin hat am Freitag überraschend ihr Schweigen kurz unterbrochen.

Die Kritik an ihrer öffentlichen Zurückhaltung ist auch im Kanzleramt vernommen worden. Also stoppte Merkel auf dem Weg in den Tagungsort plötzlich vor den Mikrofonen. Ihre Zwischenbilanz fiel wie folgt aus: In einer ersten Etappe der Gespräche habe man alle Themen in großer Breite diskutiert. „Es hat sich dabei gezeigt, dass der Ansatz der einzelnen Partner unterschiedlich ist. Aber dass uns natürlich auch Dinge gemeinsam leiten.“ Jetzt habe man eine Fülle von Fakten auf dem Tisch. „Und ich bin ja als sehr faktenorientiert bekannt“, grinste Merkel.

Nun gehe es darum, „in der nächsten Etappe die Dinge zu ordnen“. Schwierige Beratungen stünden erneut an. „Aber ich glaube nach wie vor, dass wir die Enden zusammenbinden können, wenn wir uns mühen und anstrengen.“ So, „dass jeder Partner dabei auch seine Identität zur Geltung bringen kann“. Zweieinhalb Minuten dauerte die Ansprache, dann war wieder Schweigen. Merkel verschwand schnurstracks im ehemaligen Reichstagspräsidentenpalais. Das dürfte es dann auch vorerst gewesen sein an öffentlichen Äußerungen der Kanzlerin zu den Jamaika-Sondierungen. Denn Merkel ist auch für ein ganz bestimmtes Prinzip bekannt: Begebe dich möglichst nie in die Niederungen des politischen Streits.

Für das Geplänkel, für die Scharmützel sind andere zuständig, auch wenn die Kanzlerin dem Vernehmen nach gar nicht glücklich über die regen öffentlichen Äußerungen einiger Beteiligter sein soll. Und über den persönlichen Umgang mancher Unterhändler schon gar nicht. Denn das Bild, welches die Jamaika-Gespräche bisher vermittelt haben, nämlich das von zerstrittenen und wenig konsensorientierten Parteien, passt Merkel überhaupt nicht ins Kalkül. Sie will die Koalition — und keine Neuwahlen.

Merkel hasst Zoff auf offener Bühne. Wenig Verständnis soll sie zum Beispiel für den Twitter- und Interviewmarathon von FDP-Chef Christian Lindner haben, mit dem der Liberale die Sondierungen begleitet. Oder für die Auseinandersetzungen von CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer und dem Grünen Schleswig-Holsteiner Robert Habeck („schizophren“). Auch die ständigen Angriffe von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt gegen die Grünen missfallen Merkel angeblich zutiefst. Auffallend ist ohnehin, dass sich am eifrigsten die drei kleineren Parteien gegenseitig attackieren. Ihren eigenen Laden, die CDU, hat Merkel im Griff. Jedenfalls gibt es aus dieser Ecke keine verbalen Ausrutscher. Man hält sich an die Vorgabe: Intern wird hart verhandelt, nach außen gibt man sich moderat und friedlich.

Während der Gespräche hat die Kanzlerin die Leitung, sie macht das, was sie am besten kann: Moderieren, sie erteilt das Wort, nimmt die Zeit der Redebeiträge. FDP-Vize Wolfgang Kubicki verriet jetzt, dass Merkel sich darauf beschränke. Weshalb häufig unklar sei, „was und wohin die CDU wirklich will“. Das gilt freilich für alle Beteiligten. Würde Merkel sich auch stärker einbringen, bekämen viele der Auseinandersetzungen eine völlig andere Bedeutung. Eine höhere. Aber wann wird die Kanzlerin aus ihrem Häuschen kommen? FDP-Mann Kubicki: „Frau Merkel scheint wie immer auf die eine lange Nacht der langen Messer zu setzen.“ Also bis ganz zum Schluss, wenn die Knoten durchgeschlagen werden müssen, wenn es ums Ganze geht.