Die Kosten des Atomausstiegs
Die Konzerne wollen die Entsorgung der Meiler an den Bund übertragen. Der lehnt ab.
Berlin. Mit dem Atomausstieg im Jahr 2022 brennt Wirtschaft wie Politik das Thema Altlasten-Entsorgung immer mehr auf den Nägeln. Wie jeder Autobesitzer für das Abwracken seines Pkw sind bisher auch die Energiekonzerne für Abriss und Entsorgung ihrer Meiler verantwortlich. Doch sie wollen diese Verantwortung loswerden und schlagen eine „Bad Bank“ für die Kernenergie vor. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten.
Nach dem, was durchgesickert ist, wollen die Atomkonzerne die für Abriss und Entsorgung der Atommeiler bisher zurückgestellten 36 Milliarden Euro (Stand Ende 2013) einer öffentlich-rechtlichen Stiftung übergeben.
Diese Stiftung, auch „Bad Bank“ genannt, soll außerdem die noch laufenden neun Meiler und damit deren Einnahmen bis zum endgültigen Atomausstieg bekommen. Gegenleistung: Die Konzerne wollen dafür komplett von der Verantwortung und den Kosten für den Abriss der Atomkraftwerke und ihrer Entsorgung befreit werden — auch der 16 Meiler, die schon stillgelegt, aber noch nicht beseitigt sind.
Die Konzerne. Sie schieben mit so einer Abmachung ihre bisherige alleinige Verantwortung für die Altlasten an den Staat ab. Und damit auch das Risiko, dass die Entsorgung viel teurer wird. Energie-Expertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung bezifferte allein die Abrisskosten aller deutschen AKW auf bis zu 43 Milliarden Euro. Die Endlagerung käme noch hinzu. Da die Endlagersuche nach dem Scheitern von Gorleben neu beginnt, sind die Kosten noch nicht absehbar.
Unter Umständen ja. Derzeit klagen die Konzerne nämlich aussichtsreich gegen die Brennelementesteuer und gegen die Zwangsabschaltung einiger AKW nach Fukushima. Dem Staat drohen Strafzahlungen oder Entschädigungen in Milliardenhöhe. Bei einer Einigung würden die Konzerne ihre Klagen wohl fallen lassen.
Zweiter Grund: Mit einer Stiftung hätte der Staat sicheren Zugriff auf die Rücklagen, und das könnte wichtig werden. Denn den Firmen geht es wegen der Energiewende schlecht. Wenn eine von ihnen insolvent würde, wären die bisher angesparten Rücklagen verloren, und der Staat säße auf den Altlasten.
Organisationen wie Greenpeace sehen aber eine andere Lösung: Die Konzerne sollen ihre Reserven schon jetzt in einen öffentlich kontrollierten Fonds einbringen — ohne ihre Verpflichtungen loszuwerden.
Offiziell hieß es am Montag seitens der Bundesregierung, man habe keinerlei Vorschlag erhalten und führe also auch keine Verhandlungen. Im Koalitionsvertrag werden zwar Gespräche mit den Betreibern angekündigt, ausdrücklich jedoch nur „über die Realisierung ihrer rechtlichen Verpflichtungen“.
Im Umweltministerium hieß es: „Es gilt das Verursacherprinzip.“ Auch im CDU-Vorstand reagierte man negativ. Einzig Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) fand, man müsse mit den Konzernen reden. „Wir können nicht warten, bis die Unternehmen pleite sind.“
Die Linken verwiesen darauf, dass die Atomwirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten mit rund 200 Milliarden Euro subventioniert worden sei. Wenn sie jetzt auch noch die Risiken auf die Allgemeinheit abwälzen wolle, handele sie nach dem Motto: „Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert.“ Greenpeace sprach von einem „dreisten Vorschlag“.