Fall aus Düsseldorf vor Gericht Dürfen Städte bei angeblichen Spaziergängen und Demos mitentscheiden?

DÜSSELDORF/FREIBURG/KARLSRUHE · Das Verwaltungsgericht Düsseldorf verhandelt am Donnerstag – das Bundesverfassungsgericht hat bereits eine Abwägung getroffen.

Gängelt der Staat die Bürger mit seinen Maßnahmen gegen Corona? Das Für und Wider treibt Tausende Menschen auf die Straßen – wie hier am 8. Januar in Düsseldorf. Mit einem Banner „Stoppt die Corona-Diktatur“ nehmen Gegner der Corona-Maßnahmen an einer Demo teil.

Foto: dpa/Malte Krudewig

Die Demonstrationen von Gegnern der staatlichen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung halten auch die Gerichte auf Trab. Am kommenden Donnerstag  verhandelt das Verwaltungsgericht Düsseldorf darüber, ob die Landeshauptstadt den Protestlern vorschreiben durfte, dass sie am 8. Januar anstelle des von ihnen angemeldeten Aufzugs (Demonstrationszugs) nur eine Standkundgebung abhalten.

Im Eilverfahren hatten die Richter die Stadt ausgebremst. Darum durfte die Veranstaltung tatsächlich als Aufzug laufen. Doch grundsätzlich entschieden ist die Sache damit noch nicht. Denn die Stadt möchte die Rechtslage für weiter anstehende Demonstrationen grundsätzlich geklärt haben – im Hauptsacheverfahren. Und eben dazu kommt es am Donnerstag.

Die Sache ist rechtlich kniffelig. Im schnell zu entscheidenden Eilverfahren hatte das Verwaltungsgericht Düsseldorf Anfang Januar argumentiert, das Ordnungsamt der Stadt sei ja gar nicht zuständig für ein Verbot des beantragten Aufzugs. Denn mit dem Ende der „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ sei die Zuständigkeit von den Kommunen wieder auf die Versammlungsbehörden zurückgegangen, also auf die Polizei. Was vermuten lässt: Hätte die Polizei und nicht die Stadt angeordnet, dass es statt des Aufzugs nur eine Standkundgebung geben darf, wäre dies vielleicht rechtlich korrekt gewesen.

In dem Düsseldorfer Fall ging es um eine immerhin angemeldete Demonstration. Viel häufiger sehen sich die Behörden aber mit angeblichen „Spaziergängen“ konfrontiert. Dabei gibt es keinen Anmelder der Versammlung. Und die Behörden haben gar keine Gelegenheit, den Teilnehmern Auflagen zur gefahrlosen Durchführung der Versammlung zu machen. Das führte in jüngster Zeit landauf landab dazu, dass Behörden entsprechende Veranstaltungen per Allgemeinverfügung schon präventiv verboten haben. Und dadurch natürlich provozierten, dass die Gegenseite geltend machte, sie sei in ihrem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit verletzt.  

Die Behörden hingegen berufen sich bei ihren Allgemeinverfügungen auf früher gemachte Erfahrungen mit solchen Aufzügen. Dass dabei die Maskenpflicht und Mindestabstände nicht eingehalten werden. Und deshalb ein Gesundheitsrisiko für andere Teilnehmer besteht. Und ebenso für Menschen, mit denen diese später zusammentreffen. Oder auch, dass es teilweise zu gewaltsamen Übergriffen gekommen ist.

Die Frage ist also:  Müssen es die Behörden jedes Mal wieder darauf ankommen lassen und können erst einschreiten, wenn die Regeln wieder übertreten werden? Oder können sie die „Spaziergänge“ vorab verbieten, so dass es erst gar nicht zu den Regelverletzungen kommt? Eine freilich heikle Argumentation, die sich, wenn die Gerichte sie durchgehen ließen, schnell auf alle anderen denkbaren Demonstrationen ausdehnen ließen. Folge: das Grundrecht der Versammlungsfreiheit würde ausgehöhlt.

Erstmals hat sich das Bundesverfassungsgericht nun mit diesem Problem befasst. Die Stadt Freiburg hatte eine entsprechende  Allgemeinverfügung gegen die angeblichen Spaziergänge erlassen. Inhalt: Alle entsprechenden, nicht angezeigten Versammlungen werden verboten. Sowohl das Verwaltungsgericht Freiburg als auch die nächsthöhere Instanz, der Verwaltungsgerichtshof Mannheim, bestätigten die Rechtmäßigkeit der städtischen Maßnahme.

So klar ist die Sache indes nicht, sagte nun das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom Montag (Az. 1 BvR 208/22). Ob solch ein Verfahren, gewissermaßen das präventive Versammlungsverbot, mit dem Grundgesetz vereinbar ist, sei eine offene Frage und müsse gründlich im Hauptsacheverfahren überprüft werden.

Nun ging es freilich um einstweiligen Rechtsschutz, die Sache musste vorläufig und schnell entschieden werden. Und bei dieser vorläufigen Entscheidung schlugen sich auch die höchsten Richter auf die Seite der Stadt und segneten die Freiburger Allgemeinverfügung jedenfalls vorläufig ab. In ihrer Abwägung entschieden die Richter: Die Stadt und auch die Gerichte durften davon ausgehen, dass diejenigen Personen, die zu solchen Spaziergängen aufriefen oder gewillt seien, an diesen teilzunehmen, überwiegend nicht dazu bereit seien, dem Infektionsschutz dienende Auflagen zu beachten. Wie insbesondere das Tragen von Masken oder das Einhalten von Abständen. Zwar spreche das Grundrecht der Versammlungsfreiheit für die Beschwerdeführer, doch dagegen stehen „grundrechtlich geschützte Interessen der Allgemeinheit: nämlich der Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit, zu dem der Staat auch kraft seiner grundrechtlichen Schutzpflicht grundsätzlich verpflichtet ist“.

Gedanken, die auch das Verwaltungsgericht Düsseldorf in seinem Verfahren am Donnerstag in seine Erwägungen einbeziehen dürfte.