Registrierungsstelle in Berlin „Ein Unding“: Makler warnt wegen Flüchtlingen vor Wertverlust
Ein Berliner Immobilienhändler rät Wohnungseigentümern dringend zum Verkauf - weil es in der Nähe eine Flüchtlingseinrichtung gebe. „Miese Geschäftemacherei“ mit falschen Behauptungen sei das, sagen entsetzte Branchenvertreter.
Berlin. Uwe Fenner ist Stilberater und kennt sich aus in der Welt internationaler Business-Gepflogenheiten. Für seinen „Knigge in allen Lebenslagen“ wirbt der 72-jährige Etikette-Trainer auch mit dem Satz, dass „vollendete Gastgeberschaft“ eine „Menge zum positiven Miteinander“ beitrage. Uwe Fenner ist auch Headhunter, Unternehmer und Immobilienmakler - und in diesem Metier hat er wohl eine spezielle Auffassung von gutem Stil.
Denn als Vertreter der Firma „Stadt & Raum“ rät Fenner Wohnungseigentümern an der Berliner Bundesallee dringend zum Verkauf ihrer Immobilie - wegen einer Anlaufstelle für Flüchtlinge in der Nachbarschaft und des dadurch zu erwartenden Wertverlustes. Und er wirbt gleich fürs eigene Geschäft: Es gebe bereits Interessenten.
Das Schreiben „An die Nachbarn der zukünftigen Anlaufstelle für Asylsuchende in der Bundesallee 171“ in Berlin-Wilmersdorf hat nicht nur unter manchen Eigentümern Entsetzen ausgelöst. Auch Immobilienverbände schütteln den Kopf. „Schamlos“, „miese Geschäftemacherei“, „Unding“ heißt es bei Branchenverbänden, die sich ebenfalls über Fenners Behauptung wundern.
Der Makler versicherte den 150 Adressaten seines Schreibens, „keinen einzigen Flüchtling diskriminieren“ zu wollen. Aber die „Nachricht von Gewalttaten in Flüchtlingslagern, von Einbrüchen, Diebstählen und einfach der Nachbarschaft mit vielen, vielen insbesondere jungen Männern, die nichts zu tun haben, weil unsere Behörden so langsam sind, diese Nachrichten gehen jeden Tag durch die Presse“. Und als neutraler Marktbeobachter wisse man „einfach, dass sich die Wohnungspreise in der Nachbarschaft solcher Großeinrichtungen im Nu halbieren.“ Er habe aber noch Kunden in der Hinterhand, „die jetzt noch den vollen Preis bezahlen“.
Fenner, der auch prominent besetzte Potsdamer Salonabende („Jahreszeitengespräche“) veranstaltet, versteht die ganze Aufregung um seine 150 Briefe nicht. Das Ganze solle doch bitte nicht so aufgebauscht werden. „Kümmern Sie sich doch lieber um die Politik“, sagt er genervt am Telefon. Schließlich warne das Bundeskriminalamt vor einer Eskalation. „Und da macht man mir Vorwürfe wegen dieses lächerlichen Briefes.“ Die Zustände rund um die Flüchtlinge seien nun mal so wie sie sind. Für den Brief wolle er sich dennoch entschuldigen, der in der Sache richtig gewesen sei, aber in Idee und Aufmachung falsch.
Ein Preisverfall sei natürlich belegt, rechtfertigt sich Fenner. „Das ist meine Maklererfahrung.“ Wenn irgendwo ein großes Fußballstadion gebaut würde, würden die Immobilienpreise dort auch sinken. Er habe Hunderte Antworten, die seine These stützten - „aber wie“.
Vertreter der Immobilienbranche gehören offenbar nicht dazu. „Das ist wirklich eine Schande und unterstes Niveau“, sagt Markus Gruhn vom Ring Deutscher Makler. „Das ist eine ganz miese Masche, um Objekte zu akquirieren und an Verkaufsaufträge zu kommen.“ Hintergrund: In Berlin gibt es weit mehr Kaufinteressenten als Immobilienangebote. Die Behauptung von Wertverlusten bei Immobilien in der Nähe von Flüchtlingsunterkünften sei durch nichts belegt, sagt Gruhn. Mit Erfahrungen aus seinem Viertel könne er dies untermauern.
Auch der Verband Haus & Grund, der private Eigentümer vertritt, kann nicht feststellen, dass solche Immobilien an Wert verlieren würden. Die „Panikmache Fenners aus Eigeninteresse“ sei ein Unding, heißt es in der Berliner Zentrale. Die Vorstellung, dass Flüchtlinge zum Wertverlust von Immobilien führen könnten, geht auch nach Ansicht von Erik Uwe Amaya von Haus & Grund in Nordrhein-Westfalen an der Realität vorbei. „Wir sehen eher den Effekt, dass Immobilien aufgewertet werden, weil wir mit Kommunen einen solventen Mieter haben.“ Wohnungen, die lange leer standen, würden nun vermietet.
Der Düsseldorfer Makler Klaus Rodenkirchen berichtet vom ehemaligen Vodafone-Haus in seiner Stadt, in das Flüchtlinge eingezogen seien - in einer 1A-Lage direkt am Rhein. Die Immobilie hatte lange leergestanden. Nebenan würden in einem Neubau mit Eigentumswohnungen 14 000 Euro pro Quadratmeter verlangt, sagt Rodenkirchen. Er glaube generell nicht an einen Wertverfall durch Flüchtlinge in der Nachbarschaft.
In der Branche wird eher eine neue „Goldgräberstimmung“ ausgemacht. Viele Eigentümer würden Immobilien jetzt an Flüchtlinge vermieten und sich das teuer vom Staat vergüten lassen. Teils würden damit Renditen von mehr als 20 Prozent erzielt, beobachtet der Ring Deutscher Makler. Ähnlich sind die Erfahrungen Rodenkirchens: Viele wollten ein Geschäft machen und böten Unterkünfte zur Miete an, sagt er.
Eine Konsequenz hat der Brief für Fenner bereits. Erst Anfang Oktober wurde er in die Spitze des Landesverbandes der „Allianz für Fortschritt und Aufbruch“ (Alfa) gewählt - der neuen Partei von Ex-AfD-Chef Bernd Lucke. Fenner habe am Donnerstagmorgen seinen Rücktritt angeboten, sagt Alfa-Sprecher Christian Schmidt. Am Nachmittag habe der Landesvorstand das Angebot angenommen.