Einigung auf bundesweite Endlagersuche möglich
Berlin (dpa) - Bund und Länder stehen kurz vor einer Einigung auf eine bundesweite Suche nach einem Atommüll-Endlager. Es sei nur noch ein letztes Treffen notwendig.
Das sagte Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) nach einem Bund/Länder-Spitzentreffen am Dienstagabend im Bundesumweltministerium, an dem erstmals auch SPD-Chef Sigmar Gabriel und Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin teilnahmen. Auch die Grünen bestätigten die offensichtlich überraschend großen Fortschritte. „Es wird einen nächsten Termin geben, und bei diesem Termin sehen wir die Chance für eine Einigung“, sagte Trittin.
Röttgen betonte: „Wenn es nach mir gegangen wäre, wäre auch mehr drin gewesen.“ Jahrzehntelang sei um die Endlagerung gestritten worden, nun stehe man vor einer Einigung. „Jetzt machen wir noch eine Sitzung, und dann ist sie da.“ Es gebe Annäherungen in strittigen Punkten, darüber sei aber Stillschweigen vereinbart worden. Bis zum Sommer solle ein Gesetz stehen. „Wir sind uneingeschränkt einigungswillig“, betonte Röttgen.
Auch die Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg und Niedersachsen, Winfried Kretschmann (Grüne) und David McAllister (CDU), zeigten sich optimistisch.
Strittig ist bisher, wie der Salzstock im niedersächsischen Gorleben - seit 35 Jahren die einzige Option - gleichberechtigt in einen Vergleich mit anderen Standorten integriert werden kann. Mit dem Endlagersuchgesetz sollen bundesweit mehrere - womöglich vier - Standorte miteinander verglichen werden, um Alternativen zu Gorleben zu haben. In Frage kommen Salz-, Ton- und Granitgestein. Der geplante Neustart war besonders auf Initiative des grün regierten Baden-Württemberg möglich geworden, zudem hatte Bayern seinen Widerstand aufgegeben.
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel betonte am Rande des Treffens, dass er bei den bisherigen Plänen, wer etwa am Ende für den Betrieb eines Endlagers zuständig ist, große verfassungsrechtliche Risiken sehe. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir eine Privatisierung des Endlagerbetriebs vornehmen“, sagte Gabriel. Röttgen versuche zudem Verantwortung abzuschieben „in eine scheinbar neutrale Wissenschaftsorganisation“, sagte Gabriel mit Blick auf das geplante neue Bundesinstitut für die Endlagersuche. „Da bleibt die Frage, wo sind eigentlich die Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger.“ Es gebe die Pflicht, zu einem tragfähigen Endlagerkonsens zu kommen.
FDP-Generalsekretär Patrick Döring forderte SPD und Grüne mit Blick auf die Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen auf, auf Partei- und Wahlkampftaktik zu verzichten. In NRW ist Röttgen CDU-Spitzenkandidat. „Wir wollen ein Endlagersuchgesetz so schnell wie möglich im Deutschen Bundestag und im überparteilichen Konsens mit den Ländern verabschieden“, betonte Döring.
Vor dem Ministerium demonstrierten Dutzende Atomkraftgegner lautstark mit Trillerpfeifen für einen sofortigen Ausschluss Gorlebens. Grünen-Fraktionschef Trittin bezeichnete es als großes Zugeständnis seiner Partei, dass man bereit sei, Gorleben im Topf zu lassen. Aber es sei unklar, ob und wie Gorleben fair mit anderen Standorten verglichen werden könne. „Der bisher vorgelegte Entwurf des Bundesumweltministeriums klärt nicht den Umgang mit Gorleben. Wir sind der Auffassung, es muss hier einen kompletten Bau- und Erkundungsstopp geben“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
Ein Ausschluss Gorlebens aus politischen Gründen - wie von Niedersachsens SPD gefordert - dürfte schon aus Kostengründen keine Option sein - auch wenn Umweltschützer nur ohne den Salzstock einen echten Neustart für möglich halten. In den Ausbau und die Erkundung wurden bereits 1,6 Milliarden Euro investiert. Bei einem politischen Ausschluss dürften hohe Schadensersatzklagen drohen.
Der frühere Bundesumweltminister Trittin betonte, es bedürfe bereits im Gesetz klarer Vergleichskriterien, damit die Suche nicht einseitig auf Gorleben zugeschnitten werde. „Das kann nicht durch ein ominöses Institut erfunden werden“, sagte Trittin mit Blick auf das geplante neue Bundesinstitut, das frei von Weisungen arbeiten soll. „Sonst richten sich die Standorte nicht nach den Kriterien, sondern die Kriterien nach den möglichen Standorten.“
Der Präsident des Deutschen Atomforums, Ralf Güldner, forderte im ARD-„Morgenmagazin“, an Gorleben festzuhalten. „Ich glaube, es gibt keine technisch begründeten Argumente, die gegen Gorleben sprechen.“ Es seien in den 70er Jahren etwa 170 Standorte untersucht worden, Gorleben sei anschließend jahrzehntelang intensiv geprüft worden.