Elfjährige erkämpft Geld für Asylanten

Die jetzigen Sätze verstoßen gegen das Grundgesetz, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

Karlsruhe. „Es ist ein großer Erfolg für die Betroffenen“, sagte Eva Steffen unserer Zeitung, nachdem das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verkündet hatte, dass Asylbewerber mehr Geld bekommen müssen. Sie gab mit zwei Klagen den Anstoß zu dem Urteil am Mittwoch.

Die Kölner Rechtsanwältin vertrat ein inzwischen eingebürgertes Mädchen (11), das 2000 in Aachen geboren ist. Die Mutter aus Nigeria lebte damals 14 Jahre in Deutschland und arbeitete. Als sie keinen Job mehr hatte, fiel ihre Tochter unter das Asylbewerberleistungsgesetz. Der zweite Mandant ist ein in Eschweiler lebender Iraker, der seit neun Jahren in Deutschland lebt und geduldet wird. Die Mandanten wollen anonym bleiben.

„Die beiden stehen stellvertretend für viele andere Flüchtlinge“, sagt Steffen. Zurzeit beziehen 130 000 Ausländer Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Die Anwältin prangerte an, dass Asylbewerber meist nicht vorübergehend, sondern langfristig unter den menschenunwürdigen Zuständen leben. Sie klagte. Das NRW-Landessozialgericht legte das Gesetz in Karlsruhe zur Prüfung vor.

Die Leistungen verstoßen gegen das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum. Die Höhe der Geldleistungen sei „evident unzureichend“, sagte der Vorsitzende des Ersten Senats, Ferdinand Kirchhof. Die Berechnung der Leistungen solle sich an der für Empfänger von Hartz IV orientieren.

Die Sätze seien laut Steffen nie berechnet, sondern nur geschätzt worden. Zudem wurden die Beträge seit 1993 nicht erhöht. Sie lagen zuletzt 35 Prozent unter den Leistungen für Hartz-IV-Empfänger, die als Existenzminimum gelten.

Nach der ab sofort geltenden Übergangsregelung kann ein erwachsener Asylbewerber künftig mit 336 Euro pro Monat rechnen, bisher waren es 224 Euro. „Es ist schade, dass Sachleistungen weiter erlaubt sind“, sagt Steffen. Asylbewerber bekommen etwa Essenspakete. Die Richter ordneten aber an, dass 130 statt bislang 40 Euro bar auszuzahlen sind.

Die Bundesregierung will das Urteil schnell umsetzen. Man werde eine verfassungskonforme Neuregelung erarbeiten, hieß es seitens Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Der Deutsche Landkreistag rechnet mit Mehrkosten von bis zu 130 Millionen Euro pro Jahr.

„Der Gesetzgeber war viel zu lange untätig“, kritisiert Steffen. Die Ratinger Bundestagsabgeordnete Kerstin Griese (SPD) stimmt zu: „Die Entscheidung war überfällig.“ Steffen ist zufrieden, das höchste Ziel wurde aber verfehlt: „der unrealistische Wunsch nach der Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes.“