Entscheidung zu Stasi-Akten verschoben
Berlin (dpa) - Der Präsident des Bundesarchivs, Michael Hollmann, hat sich enttäuscht über die verschobene Entscheidung zu den Stasi-Akten gezeigt. „Dieser Kleinmut wirft uns aber nicht weit zurück“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
Es gebe bereits eine Kooperation mit der Stasi-Unterlagen-Behörde, die nun fortgesetzt und ausgebaut werde. Das Bundesarchiv werde mit der Bundesbehörde von Roland Jahn Vorschläge zum künftigen Umgang mit der Hinterlassenschaft der DDR-Staatssicherheit ausarbeiten, erklärte Hollmann.
Eine unabhängige Expertenkommission hatte im Kern empfohlen, die Akten des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit bis 2021 ins Bundesarchiv zu überführen, eine Stiftung einzurichten und die frühere Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg zum „Ort der Aufklärung über Diktatur und Widerstand“ weiterzuentwickeln.
Opferverbände protestierten gegen die Auflösung der Behörde, die Vorschläge wurden ad acta gelegt. Der Bundestag beschloss dann mit der Mehrheit der Regierungsfraktionen, über den Umbau der Behörde erst in der nächsten Legislaturperiode zu entscheiden.
„Es ist eine oft wiederholte, aber unsinnige Behauptung, dass die Akten im Bundesarchiv weggeschlossen werden sollen“, sagte Präsident Hollmann. „Im Archiv gibt es keine Schlussstrichdebatte. Professionelle Neutralität ist die Grundlage für eine intensivierte Aufarbeitung.“ Jedoch müssten die gesetzlichen Grundlagen des Zugangs zu den Akten von Bundesarchiv und Stasi-Unterlagen-Behörde harmonisiert werden. Bislang war Konsens, dass die Akten in Berlin in der früheren Stasi-Zentrale bleiben sollen.
Das Stasi-Unterlagen-Gesetz legt den Fokus auf Akteneinsicht für Betroffene, während das Bundesarchivgesetz das Jedermannsrecht auf freie Einsicht nach Ablauf von Schutzfristen betont, wie der Historiker unterstrich.
Das Bundesarchiv hat derzeit 680 Mitarbeiter - davon etwa 300 in Berlin. Als eines der wichtigsten europäischen Nationalarchive verwahrt das Bundesarchiv mit Hauptsitz in Koblenz auch Unterlagen der DDR-Ministerien und Massenorganisationen sowie eine zentrale Kartei zu DDR-Kadern.
Es sei auffällig, dass sich nur wenige Archiv-Nutzer mit der DDR als Staat beschäftigten, sagte Hollmann. Die Vergangenheit werde bislang überwiegend aus Sicht der Stasi beleuchtet. „Es sind aber noch andere Geschichten zu erzählen“, sagte der Historiker. Die Möglichkeit, die Stasi-Unterlagen im Kontext der staatlichen Überlieferung zu nutzen, sei für die Forschung eine ideale Perspektive.