Ermittler: Weitere Verdächtige nach Neonazi-Mordserie
Berlin (dpa) - Nach der Festnahme eines vierten mutmaßlichen Neonazi-Terrorhelfers prüfen die Ermittler Verbindungen zu noch weiteren Verdächtigen. „Es sind etwa zwölf Personen näher im Blick“, sagte ein Sprecher der Bundesanwaltschaft am Montag in Karlsruhe.
Allerdings seien nicht gegen alle offizielle Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Der 36-jährige Matthias D. war am Sonntag in Johanngeorgenstadt (Sachsen) festgenommen worden. Ein Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof erließ am Montag Haftbefehl.
Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) rechnet damit, dass die Ermittlungen zu den Zwickauer Neonazi-Terroristen ein großes Ausmaß an rechtsextremen Umtrieben in Deutschland zutage fördern. „Es kommen jeden Tag neue Erkenntnisse zum Vorschein und das Ganze muss natürlich in ein Gesamtbild auch aufgenommen werden“, sagte sie am Montag in Berlin. Es handele sich um ein großes Netzwerk, das über viele Jahre gewirkt habe. „Deswegen wird es immer wieder noch Nachrichten geben, die zu diesem Gesamtbild zusammengeführt werden.“
Die Ermittler haben neben Matthias D. bereits Holger G., Andre E. und den Ex-NPD-Funktionär Ralf Wohlleben inhaftiert. Sie alle sollen die Gruppe unterstützt haben - sei es mit Wohnungen, um ihre Entdeckung zu erschweren, oder sogar mit Waffen. Dem Zwickauer Neonazi-Trio werden zehn Morde an türkisch- und griechischstämmigen Kleinunternehmern und einer Polizistin sowie ein Mordversuch, zwei Sprengstoffanschläge und mehrere Banküberfälle vorgeworfen. Für eine Verbindung der Terrorzelle zum Mord an einem Rabbi in Zürich im Jahr 2001 gibt es nach Angaben der Bundesanwaltschaft hingegen „keine zureichenden Anhaltspunkte.“
Der jüngst Festgenommene ist angeblich einer der mutmaßlichen Führer der Neonazi-Gruppe „Brigade Ost“ aus Johanngeorgenstadt. Er soll die Ziele des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) und die rechtsextremistische Einstellung seiner Mitglieder geteilt haben. Am Sonntag wurde auch die Wohnung einer weiteren möglichen Unterstützerin durchsucht. Dabei handelt es sich nach dpa-Informationen um Mandy S.. Sie soll nach Medienberichten den drei mutmaßlichen NSU-Gründern Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe unmittelbar nach deren Untertauchen im Jahr 1998 Unterkunft beschafft haben.
Die Bundestagsfraktionen sind sich weiter uneins darüber, wie die Ermittlungspannen rund um die Zwickauer Zelle aufgearbeitet werden sollen. Die Grünen wollen bei ihrer Fraktionssitzung an diesem Dienstag beschließen, einen Untersuchungsausschuss zu beantragen, wie Fraktionschefin Renate Künast am Montag ankündigte. Auch die Linke hatte sich für einen solchen Ausschuss ausgesprochen. Dagegen setzt die SPD auf eine Bund-Länder-Kommission zur Aufklärung der Pannen, in die auch eine von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) eingesetzte Expertenkommission eingegliedert werden soll. Grüne und Linke allein können einen Untersuchungsausschuss nicht erzwingen.
Als Konsequenz aus den Pannen soll an diesem Freitag ein neues Abwehrzentrum Rechts von Bund und Ländern seine Arbeit aufnehmen, wie das Bundesinnenministerium am Montag in Berlin mitteilte. Das Zentrum solle die Bedrohung durch Rechtsextremisten besser beurteilen und operative Maßnahmen wie etwa Festnahmen erleichtern. Es soll seinen Sitz in Köln und Meckenheim (beides Nordrhein-Westfalen) haben.