Europaparlament erhöht Druck im Brüsseler Postenpoker

Brüssel (dpa) - Aus dem Europaparlament wächst der Druck auf die EU-Staatenlenker, bald einen neuen EU-Kommissionschef vorzuschlagen. Aussichtsreichster Anwärter ist bisher der konservative Luxemburger Jean-Claude Juncker.

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Bei Verzögerungen drohe eine „institutionelle Krise in der EU“, warnte der Fraktionschef der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber (CSU), am Donnerstag in Brüssel. „Die Bürger erwarten Handlungsfähigkeit.“

Kritik kam auch von den Sozialdemokraten, nach der EVP die zweitstärkste Kraft in der Volksvertretung. Juncker müsse als erster eine Chance bekommen, eine Mehrheit im Parlament zu finden, sagte Fraktionschef Hannes Swoboda. Für die Wahl des Kommissionschefs sind mindestens 376 der insgesamt 751 Stimmen nötig.

Weber und Swoboda waren getrennt mit EU-Ratschef Herman Van Rompuy zusammengekommen, der von den EU-Staats- und Regierungschefs als Vermittler im Brüsseler Postenpoker eingesetzt wurde. Unter den „Chefs“ lehnt insbesondere der britische Premier David Cameron Juncker als neuen Kommissionschef ab.

Weber sagte mit Blick auf London: „Es gibt kein Vetorecht für einzelne Staaten.“ Er forderte die „Chefs“ auf, Juncker beim nächsten Gipfel in Brüssel am 27. Juni offiziell als neuen Kommissionschef vorzuschlagen. Auch Swoboda kritisierte Bremser unter den Staatenlenkern.

Die EVP-Abgeordneten stehen laut Weber geschlossen hinter Juncker (59). Der Luxemburger war als stärkster Bewerber für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten aus den Europawahlen hervorgegangen. Weber sagte, es gebe höchstens „ein, zwei, drei Abweichler“ in seiner politischen Gruppe. Noch vor einigen Wochen hatte der rechtskonservative ungarische Regierungschef Viktor Orban angekündigt, die Mitglieder seiner Fidesz-Partei - die der EVP angehören - würden nicht für Juncker stimmen. Die Fidesz entsendet zwölf Abgeordnete ins Europaparlament.

Die EVP war aus der Europawahl Ende Mai mit 221 Sitzen als stärkste politische Kraft hervorgegangen. Weber sagte, er strebe mit den Sozialdemokraten, eine „stabile Partnerschaft“ an. Ziel sei es, für stabile Verhältnisse in der Volksvertretung zu sorgen, in der Protestparteien und Rechtsextreme künftig deutlich stärker vertreten sein werden.