FDP prescht im Atomstreit vor
Berlin (dpa) - Die FDP ist nach ihrem Desaster bei den Landtagswahlen im Streit über die Zukunft der Atomkraft vorgeprescht und riskiert schweren Streit mit der Union.
FDP-Generalsekretär Christian Lindner verlangte am Dienstag eine Vereinbarung, nach der die acht im Atom-Moratorium stillgelegten AKW nie wieder ans Netz gehen. CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder mahnte jedoch, die Arbeit der beiden eingesetzten Atom-Kommissionen abzuwarten. Der nach den Wahlen unter starken Druck geratene Rainer Brüderle lehnt einen Rückzug als Wirtschaftsminister ab.
Merkel will vor einer Entscheidung über die Energiepolitik und den Atomausstieg einen breiten gesellschaftlichen Dialog. Dazu müsse es auch Gespräche mit der Opposition geben, sagte die CDU-Vorsitzende am Montagabend in der ARD. Sie verwies auf ein Treffen mit allen Ministerpräsidenten am 15. April. Dabei soll es um den schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien gehen.
Nach dem historischen CDU-Machtverlust in Baden-Württemberg sieht Kauder Merkel weiterhin unangefochten als Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl 2013. Auf die Frage, ob statt Merkel ein anderer Kandidat antreten werde, sagte er der Nachrichtenagentur dpa: „Die Bundeskanzlerin wird als Spitzenkandidatin in die Bundestagswahl 2013 gehen.“ Sie genieße hohes Vertrauen in der Bevölkerung.
In Stuttgart setzte sich Amtsinhaber Peter Hauk im Machtkampf um den CDU-Fraktionsvorsitz gegen Umweltministerin Tanja Gönner durch, die Vertraute des scheidenden Regierungschefs Stefan Mappus. Grüne und SPD bestimmten die Kommissionen für die an diesem Donnerstag beginnenden Koalitionsverhandlungen. Der designierte erste grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann leitet für seine Partei die Verhandlungen.
In Mainz kommen an diesem Mittwoch SPD und Grüne zu einem ersten Sondierungsgespräch für ein künftiges Regierungsbündnis in Rheinland-Pfalz zusammen. Die SPD von Ministerpräsident Kurt Beck war trotz schwerer Verluste wieder stärkste Partei geworden. Die Grünen kehrten mit einem Rekordergebnis ins Parlament zurück. CDU-Landeschefin Julia Klöckner will sich an die Spitze der Landtagsfraktion wählen lassen.
In Berlin sprach sich FDP-Generalsekretär Lindner überraschend dafür aus, in einer Vereinbarung mit der Atomindustrie schon jetzt verbindlich das Aus für die acht älteren Reaktoren festzulegen. Im Auftrag der Regierung beraten derzeit zwei Kommissionen über technische und ethische Fragen. Das Atom-Moratorium, das die Koalition nach der Katastrophe im japanischen Fukushima beschlossen hatte, gilt bis Mitte Juni.
Derzeit sind die sieben vor 1980 ans Netz gegangenen deutschen Atomkraftwerke abgeschaltet, schon seit 2007 steht nach Pannen das AKW Krümmel (Schleswig-Holstein) still. SPD und Grüne fordern, dass diese acht Anlagen endgültig stillgelegt werden und die Reststrommengen nicht auf neuere Anlagen übertragen werden können.
Wenn die Regierung die Meiler nach Ende des Moratoriums auf Dauer abgeschaltet lassen will, muss ein neues Atomgesetz verabschiedet werden. Lindner sprach sich gegen die Übertragung von Restlaufzeiten alter Atommeiler auf neuere aus. Die Gesamtlaufzeit der AKWs werde auf jeden Fall kürzer sein als von Schwarz-Gelb geplant.
Als Vorbild für eine neue Vereinbarung mit der Industrie nannte der FDP-Politiker den Ausstiegsbeschluss der damaligen rot-grünen Bundesregierung mit der Energiewirtschaft aus dem Jahr 2000. Diese Vereinbarung hatte die schwarz-gelbe Koalition erst im Herbst wieder rückgängig gemacht. Lindner gehört in der FDP zu den jüngeren Kräften, die beim Ausstieg aufs Tempo drücken.
Unionsfraktionschef Kauder warnte vor übereilten Beschlüssen. „Ich kann nicht einen Moratoriumsprozess beginnen und dann denen, die daran arbeiten, jetzt sagen: Ich weiß schon, wie es geht, Ihr bräuchtet eigentlich gar nicht zu arbeiten“, sagte er der dpa. Auch der CDU-Wirtschaftsrat warnt: „Mit Überstürzung erreicht man im Moment gar nichts. Selbst die Grünen verlangen keinen sofortigen Ausstieg“, sagte dessen Chef Kurt Lauk der dpa.