FDP-Sozialexperte Heinrich Kolb: „Unterschiede sind deutlich“

Der FDP-Sozialexperte Heinrich Kolb dämpft Erwartungen an eine schnelle Einigung mit der Union über einen Mindestlohn.

Berlin. Der vom FDP-Parteitag gefasste Mindestlohnbeschluss weckt in der Union Hoffnungen, noch vor der Bundestagswahl zu einem Koalitionsbeschluss zu kommen. Der sozialpolitische Sprecher der Liberalen, Heinrich Kolb, dämpft die Erwartungen.

Herr Kolb, ist der Weg jetzt frei für einen raschen Koalitionsbeschluss?
Heinrich Kolb: Auf jeden Fall sind wir jetzt startklar für Gespräche mit unserem Koalitionspartner. Allerdings zeigt der Blick auf den Sitzungskalender, dass die Wahlperiode weitgehend gelaufen ist. Wir haben nur noch vier Sitzungswochen im Bundestag bis zur Bundestagswahl. Ob diese kurze Zeit für eine Lösung reicht, muss man sehen. Ansonsten werden wir das Thema in der nächsten Legislaturperiode angehen. Es gibt ja doch noch deutliche Unterschiede zwischen den Positionen von FDP und Union.

Die FDP hat seit 2009 grünes Licht für weitere Mindestlöhne in fünf Branchen gegeben. Was ist so neu an dem Parteitagsbeschluss?
Kolb: Richtig ist, dass wir wie bisher auf von den Tarifpartnern vereinbarte Lohnuntergrenzen setzen — und diese Lohnuntergrenzen für allgemeinverbindlich erklären wollen. Nach geltender Rechtslage im Arbeitnehmerentsendegesetz ist die Zahl der Branchen, in denen Lohnuntergrenzen für allgemeinverbindlich erklärt werden können, jedoch begrenzt. Ein von den Tarifpartnern vereinbarter Mindestlohn — wie kürzlich im Friseurhandwerk — könnte demnach nicht für allgemeinverbindlich erklärt werden. Das wollen wir ändern, indem wir den Katalog der Branchen gesetzlich ausweiten.

Bei der Union rennen Sie da sicher offene Türen ein. Also wo liegt das Problem für einen Kompromiss?
Kolb: Die Union will eine Kommission einrichten, die Lohnuntergrenzen für Branchen mit nur schwacher oder gar keiner Tarifbindung festlegt. Was genau der Arbeitsauftrag dieser Kommission sein soll, lässt die Union aber offen. Sie macht insbesondere keine verbindlichen Vorgaben, ob die Lohnuntergrenze bundesweit gelten soll oder regional zu differenzieren ist. Im Ergebnis läuft das Modell der Union daher mit hoher Wahrscheinlichkeit auf einen bundesweit einheitlichen Mindestlohn hinaus.

Und den lehnt die FDP ab.
Kolb: Richtig. Beim Modell der Union ist zu befürchten, dass am Ende ein flächendeckender Mindestlohn herauskommt, der zumindest in strukturschwachen Teilen Deutschlands Arbeitsplätze vernichten würde. Das ist bei unserem Modell ausgeschlossen, denn es setzt auf nach Branchen und Regionen differenzierte Lösungen statt einer bundesweiten einheitlichen Lohnuntergrenze.