Friedensnobelpreis weckt Hoffnung auf C-Waffen-Vernichtung weltweit

Oslo/Den Haag (dpa) - Der Friedensnobelpreis an die Organisation zum Verbot von Chemiewaffen (OPCW) hat Hoffnung auf eine Vernichtung chemischer Kampfstoffe in Syrien und der ganzen Welt geweckt.

Das Nobelkomitee in Oslo, das den Preis am Freitag zuerkannte, würdigte damit auch den hochbrisanten Einsatz der OPCW-Experten im Bürgerkriegsland Syrien. Die Organisation mit Hauptsitz in Den Haag bekomme die Auszeichnung „für ihren umfassenden Einsatz für die Vernichtung von Chemiewaffen“, begründete Nobelkomitee-Vorsitzender Thorbjörn Jagland die Entscheidung der Jury: „Mit diesem Preis an die OPCW will das Komitee zur Zerstörung von Chemiewaffen beitragen.“

Der prestigeträchtige Preis, mit dem im vergangenen Jahr die Europäische Union geehrt worden war, ist mit 8 Millionen Kronen dotiert, umgerechnet rund 920 000 Euro. Die OPCW mit 189 Mitgliedstaaten ist für die Umsetzung der Chemiewaffenkonvention von 1997 zuständig. Syrien, das sich bis Mitte nächsten Jahres zur vollständigen Vernichtung seiner Chemiewaffen verpflichtet hat, soll kommenden Montag 190. Mitglied werden.

Die Würdigung der Arbeit der Chemiewaffenkontrolleure verband der Nobelkomitee-Vorsitzende mit Kritik an Washington und Moskau. „Manche Staaten sind immer noch keine OPCW-Mitglieder. Einige Staaten haben die Frist nicht beachtet, die für April 2012 festgesetzt war, ihre Chemiewaffen zu zerstören“, sagte Jagland. „Dies gilt insbesondere für die USA und Russland.“

OPCW-Generaldirektor Ahmet Üzümcü wertete den Preis als Bestätigung für den Beitrag, den seine Organisation in den vergangenen 16 Jahren zum Frieden geleistet habe. „Wir hoffen, damit auch einen Beitrag zum Frieden und zur Beendigung der Leiden der Menschen in Syrien leisten zu können“, sagte Üzümcü bei einer Pressekonferenz in Den Haag. „Unser Mitgefühl gilt den Menschen in Syrien, die Opfer des Horrors chemischer Waffen wurden.“

Nach UN-Angaben kommen die Kontrolleure bei ihrem Einsatz in Syrien voran. Nach zehn Tagen habe das inzwischen auf 60 Mitarbeiter verstärkte Team drei Orte inspiziert. Ein Teil der Munition und Geräte zur Herstellung von Chemiewaffen seien bereits von syrischen Offiziellen unter Aufsicht der Kontrolleure zerstört worden.

International wurde die Auszeichnung der Chemiewaffenkontrolleure von Berlin über Brüssel bis Washington und New York begrüßt - Unverständnis wurde in Moskau laut.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte: „Ihr Einsatz verdient unser aller Respekt.“ Von einer Ermutigung für alle, die sich für Verbot und Nichtweiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen einsetzen, sprach Außenminister Guido Westerwelle: „Dieser Friedensnobelpreis wird der Abrüstung weltweit neuen Schub verleihen.“ Bundespräsident Joachim Gauck erklärte, der grausame Konflikt in Syrien zeige in tragischer Weise, wie aktuell die Mission der Organisation sei.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sagte in New York, Chemiewaffen seien noch immer kein „Relikt der Vergangenheit“, sondern eine „klare und aktuelle Gefahr“. Die Vereinten Nationen fühlten sich geehrt, gemeinsam mit der OPCW gegen die Bedrohung durch Chemiewaffen zu kämpfen. „Zusammen müssen wir sicherstellen, dass der Nebel des Krieges nie mehr aus giftigem Gas bestehen wird.“

US-Außenminister John Kerry erklärte in Washington, die Welt werde „niemals den Verlust von über 1000 Syrern vergessen, die am 21. August mit chemischen Waffen getötet worden seien.“ Dieser Giftgasangriff bei Damaskus hatte nach US-Drohungen mit einem Militärschlag dazu geführt, dass sich Washington und Moskau erstmals in dem mehr als zweijährigen Bürgerkrieg in Syrien auf ein internationales Vorgehen gegen die Chemiewaffen des Assad-Regimes geeinigt hatten.

Frankreichs Präsident François Hollande erklärte: „Solch barbarische Akte dürfen sich nie wieder wiederholen.“ Frankreich unterstütze die Arbeit der OPCW mit allen Kräften. Die EU-Kommission gratulierte der OPCW und sicherte Unterstützung zu. „Die EU ist entschlossen, beim Zerstören des Bestands von Chemiewaffenarsenalen mitzuwirken“, teilte Behördenchef José Manuel Barroso in Brüssel mit. Norwegens Ministerpräsident Jens Stoltenberg sagte: „Die OPCW hat aus der Welt einen sichereren Ort gemacht.“

Der russische Außenpolitiker Alexej Puschkow kritisierte bei Twitter. „Der Friedensnobelpreis ist zu einem Vorschuss verkommen: Zuerst an (US-Präsident Barack) Obama für schöne Reden, aber nicht für Taten, und nun für die OPCW, die ihre Arbeit in Syrien erst begonnen hat.“

Als große Favoritin für den Friedensnobelpreis hatte in diesem Jahr die 16 Jahre alte Malala gegolten, die sich in ihrer Heimat Pakistan gegen die Taliban für das Recht von Frauen und Mädchen auf Bildung einsetzt. Mehrere Politiker hatten sich für eine Preisverleihung an das Mädchen stark gemacht.

Der Friedensnobelpreis ist der einzige Nobelpreis, der nicht im schwedischen Stockholm, sondern in Oslo von einem Nobelkomitee aus fünf Parteienvertretern vergeben wird. Nach dem Testament Alfred Nobels (1833-1896) soll er an den gehen, der im vorausgegangenen Jahr am meisten für den Frieden geleistet hat.

Feierlich überreicht wird der Preis am 10. Dezember, dem Todestag Alfred Nobels, ebenfalls in Oslo. Zum Preisgeld sagte OPCW-Sprecher Michael Luhan: „Ich habe noch keine Idee, was wir mit dem Preisgeld machen. Wir haben den Preis gerade erst bekommen, das ist etwas, was wir uns erst noch überlegen müssen.“