AfD-Parteitag Für Gemäßigte gibt es in der AfD keinen Platz mehr

Auf dem AfD-Parteitag in Hannover werden Meuthen und Gauland zu den Chefs gewählt. Auch der Höcke-Flügel in der Partei erstarkt.

Alexander Gauland (l.) und Jörg Meuthen gehen gestärkt aus dem AfD-Parteitag in Hannover hervor.

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Hannover. Die Parteitage der AfD werden per Live-Stream übertragen. Werbewirksam ist das nicht gerade. Auch das Treffen an diesem Wochenende in Hannover ist ein eher bizarres Hin und Her um Satzungsfragen, um Abstimmungsverfahren, um Redezeiten. Und das zwei Tage lang. Damit wird das eigentliche Thema umkreist, die Führungsfrage. Bei der gibt es eine Überraschung.

Wer wird neben dem 56-jährigen Jörg Meuthen neuer Vorsitzender, nachdem Frauke Petry ausgetreten ist? Darum geht es. Petrys Name fällt in Hannover übrigens nicht ein einziges Mal. Es ist, als ob sie in der AfD nie existiert hätte. Aber zuerst wird lange diskutiert, ob es überhaupt wieder zwei Vorsitzende geben soll. Das ist der Stellvertreterkrieg der „Flügel“ genannten rechtsnationalen Strömung, die Georg Pazderski, den gemäßigten 66-jährigen Berliner Landeschef, als Ko-Vorsitzenden verhindern will. Der „Flügel“ will nur noch einen Vorsitzenden, Meuthen. Satzungsfragen sind Machtfragen.

Pazderski und Meuthen unterscheidet, dass der Berliner die AfD schnell regierungsfähig machen möchte, was die Trennung von Rechtsextremen bedeutet, während Meuthen sagt: „Wir wollen nicht an die Futternäpfe der Politik“. Ein ziemlich erstaunlicher Satz für einen, der gerade zwei Parlamentssitze hat, im Europaparlament und noch bis Ende des Jahres gleichzeitig auch im Stuttgarter Landtag.

Bei der Zahl der Vorsitzenden unterliegt der „Flügel“ zwar, es bleibt bei zwei. Bei den Personen aber nicht. Während Meuthen in einem ersten Wahlgang mit 72 Prozent schon gewählt ist, tritt gegen Pazderski plötzlich Doris von Sayn-Wittgenstein an, Landeschefin in Schleswig-Holstein. Sie ist die Kandidatin der Rechtsnationalen, wie man am Beifall der ostdeutschen Delegierten sehen kann. Außerdem reißt die 63jährige einige Unentschlossene mit. Vor allem mit dem Satz: „Ich möchte gar nicht, dass wir in dieser sogenannten Gesellschaft anerkannt werden.“ Das kommt an.

Zwei Abstimmungen ergeben ein exaktes Patt, was zeigt, wie stark der rechte „Flügel“ inzwischen ist. Angeführt wird er vom umstrittenen Thüringer Landeschef Björn Höcke, der die Delegierten bei einer kurzen Wortmeldung — es geht um eine Geschäftsordnungsfrage - wie ein Popstar begrüßt: „Erstmal guten Tag, hallo Hannover!“ Ansonsten bleibt er im Hintergrund. Zwischen den Delegierten beider Lager gibt es wegen des Patts erregte Auseinandersetzungen. Dann entscheidet sich der 76-jährige Alexander Gauland, schon Chef der Bundestagsfraktion, selbst zu kandidieren. „Ich will, dass die Partei zusammenbleibt“, sagt er. Darauf treten alle anderen Bewerber zurück, Gauland wird mit 67 Prozent zum zweiten Parteisprecher gewählt. Er ist nun der mächtigste Mann in der AfD. Pazderski bleibt nur das Amt eines Stellvertreters.

Inhaltliche Debatten gibt es in Hannover nicht. Gleich zu Beginn, als es um die Tagesordnung geht, entscheiden die rund 550 Delegierten nach einigem Ringen, dass über sämtliche diesbezüglichen Anträge nicht diskutiert werden soll. Sondern nur über das Personal und einige Satzungsfragen. Auch heikle Vorstöße, etwa mit Kritik an Israel oder für den Austritt aus der Nato, werden nicht debattiert. Wie die AfD dazu steht, erfährt man daher nicht.

Stattdessen läuft im Saal ein schier endloser Strom von Verfahrensdebatten, bis hin zum satirereifen Aufruf des Sitzungsleiters. „Wir stimmen jetzt darüber ab, ob wir elektronisch über die Nichtbefassung des vorliegenden Antrages zur Änderung der Satzung abstimmen wollen“. Sogar über die Frage, ob Niedersachsens Landeschef Armin-Paul Hampel als Gastgeber ein Grußwort reden darf — woanders eine Formalie — wird eine Stunde lang gerungen. Ergebnis nach elektronischer Abstimmung: Hampel, der sehr umstritten ist, darf nicht.

Die Feststellung des Parteisprechers Jörg Meuthen, die AfD sei „erwachsener, reifer und klüger geworden“, ist in Hannover jedenfalls nicht unbedingt nachzuvollziehen. Draußen gibt es am Samstag massive Gegendemonstrationen von „Antifaschisten“, die versuchen, den Zugang zu blockieren. Etliche Delegierte werden hart bedrängt, Kay Gottschalk, Bundestagsabgeordneter, wird leicht verletzt. Die Polizei setzt Wasserwerfer ein. Dem AfD-Pressesprecher haut ein Demonstrant beim Aussteigen aus dem Taxi die Beine weg und schlägt ihm in den Rücken. Die Polizei nimmt den Mann fest.