Gabriel wirft Union Verweigerungshaltung in Rentendebatte vor
Berlin (dpa) - SPD-Parteichef Sigmar Gabriel hat der Union in der Debatte über einen Kurswechsel bei der Rentenpolitik eine Verweigerungshaltung vorgeworfen, die radikalen Parteien nütze.
Es sei „gefährlich für den demokratischen Konsens, wenn man eine der wichtigsten sozialen Fragen aus dem Wahlkampf heraushalten will“, sagte Gabriel den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Damit öffne man radikalen Populisten Tür und Tor.
Die in Umfragen deutlich abgesackte SPD hatte im April angekündigt, die Zukunft der Rente und die drohende Altersarmut für viele Bürger zu einem zentralen Thema im Bundestagswahlkampf 2017 zu machen. Im wesentlichen geht es um die Forderung, das Rentenniveau nicht wie geplant weiter abzusenken, sondern auf heutigem Niveau zu belassen. Gemeint ist das Verhältnis der Renten zu den Löhnen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion warnte die SPD, im Zuge einer Rentenreform die Steuern anzuheben.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte Ende April bekräftigt, die Diskussion um die Rente aus dem Wahlkampf heraushalten zu wollen. Sie halte das Rentensystem in Deutschland bis 2029 für stabil und zukunftsfest. Für die Zeit nach 2030 müsse man sich Gedanken machen.
Zuletzt kündigte die SPD-Führung an, die von Gabriel befeuerte Debatte über eine große Rentenreform kleinhalten zu wollen. Zunächst müssten aus dem Koalitionsvertrag die Projekte Solidarrente, Reform der Betriebsrenten sowie eine Angleichung der Ost-West-Renten angegangen werden.
Gabriel beharrte im Interview der Funke Mediengruppe auf seiner Forderung nach einer massiven Kurskorrektur. „Wir müssen alles unternehmen, das weitere ungebremste Absinken des Rentenniveaus nach 2020 zu stoppen und das Rentenniveau zu stabilisieren“, forderte der SPD-Chef. Wie der „Spiegel“ berichtet, hat Gabriel die Federführung beim Thema Rente an Arbeitsministerin Andrea Nahles abgegeben.
„Wenn die Union sagt, dass sie nicht mehr über die Rente reden will, dann soll sie mal über die Grenze nach Österreich schauen“, warnte der Vizekanzler. Im Nachbarland könne man „sehen, was passiert, wenn eine große Koalition das Volk aus den Augen und für dessen Probleme das Gehör verloren hat“. Bei der ersten Runde der Bundespräsidentenwahl in Österreich hatte der Kandidat der rechten FPÖ, Norbert Hofer, mit großem Vorsprung gewonnen. Er tritt nun in einer Stichwahl gegen einen Politiker der Grünen an.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) warnt die Volksparteien auch mit Blick auf die jüngsten AfD-Erfolge davor, im Bundestagswahlkampf unseriöse Erwartungen zu wecken. Union und SPD dürften sich vom Aufkommen der AfD „nicht verleiten lassen, prinzipienlos zu werden und jedem Recht geben zu wollen“, sagte Schäuble der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. „Und schon gar nicht dürfen wir den Menschen Versprechungen machen, von denen jeder ahnt, dass sie nicht gehalten werden können.“ Der CDU-Politiker habe damit auf die Pläne der SPD sowie der CSU reagiert, die Stabilisierung des Rentenniveaus zum Thema des nächsten Bundestagswahlkampfs zu machen.