Geißler: Debatte über „totalen Krieg“ lächerlich
Stuttgart/Mannheim (dpa) - Stuttgart-21-Schlichter Heiner Geißler hat die Kritik an seinem Zitat „Wollt Ihr den totalen Krieg?“ als „total lächerlich“ zurückgewiesen.
SPD, FDP und zahlreiche Medien hatten ihm vorgehalten, er habe die Worte aus der berüchtigten Hetzrede von NS-Propagandaminister Joseph Goebbels im Berliner Sportpalast von 1943 übernommen. SPD-Landtagsfraktionschef Claus Schmiedel sprach von „Verbalradikalismus“. Geißler sagte dagegen am Dienstag der Nachrichtenagentur dpa: „Der totale Krieg, den Begriff hat schon Winston Churchill verwendet, und der Prinz Heinrich von Preußen an Friedrich den Großen.“
Geißler hatte die Formulierung am vergangenen Freitag bei der öffentlichen Vorstellung des Stresstests für den geplanten unterirdischen Bahnhof verwendet.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) scheiterte unterdessen mit einem Eilantrag auf vorläufigen Stopp der Bauarbeiten am Bahnprojekt Stuttgart 21. Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim lehnte den Antrag ab: Die grundsätzliche Genehmigung für das Bahnprojekt sei weiterhin wirksam, auch wenn für die Bauarbeiten am Tiefbahnhof mehr Grundwasser abgepumpt werden müsse als ursprünglich angenommen. Der BUND hatte einen Baustopp gefordert, um abzuwarten, ob eine Erhöhung der Grundwassermenge genehmigt wird. Der Stuttgart-21-Befürworter Schmiedel kommentierte das Urteil mit Genugtuung: „Den Gegnern gehen die Argumente aus.“
Geißler hatte im Deutschlandfunk gesagt, es sei absurd, ihm zu unterstellen, er wolle die Sprechweise der Nazis verharmlosen. „Der totale Krieg, den gibt es auch anderswo, den haben wir zurzeit in Syrien.“ In Stuttgart sei eine Befriedung notwendig. „Das ist ein verbaler Krieg, den wir dort haben.“ Es gebe in der Tat bessere Lösungen als Stuttgart 21. Die Projektträger sollten seinen Kompromissvorschlag aus Kopf- und Tiefbahnhof in Ruhe prüfen.
Schmiedel warf dem früheren CDU-Generalsekretär vor, er habe in seiner Wortwahl jedes Maß verloren. „Stuttgart ist längst auf dem Weg zur Befriedung und den Schlusspunkt setzt die Volksabstimmung“, sagte Schmiedel der dpa. Die Argumente der Gegner würden nach und nach fachlich widerlegt. Geißlers Kombilösung gab Schmiedel kaum eine Chance. Zwar prüfe Grün-Rot derzeit, ob es lohne, den Vorschlag genauer anzuschauen. „Ich vermute aber: Diese Idee hat keine lange Halbwertzeit.“
Geißler geht dagegen davon aus, dass sein Kompromissvorschlag von den Projektträgern ernsthaft geprüft wird. Bisher hätten eher nur politische Außenseiter den Vorstoß abgelehnt. Diesen machte er heftige Vorwürfe: „Dass die Leute nicht in Kompromissen denken können, sondern immer nur, ob man dem Gegner in die Hände spielt. Das sind Leute, die sehen immer nur das Weiße im Auge des Feindes.“ Das sei ein Grund für Politikverdrossenheit.
Die Südwest-FDP konterte, der 81-Jährige spiele sich nur in den Vordergrund: „Es geht ihm nicht um die Schlichtung, sondern um die Eigenprofilierung“, sagte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke der dpa: „Das ist das eigentlich Dämliche an dem Geißler-Vorschlag, dass er den Gegnern eine Karte in die Hände spielt, mit dem sie das Projekt verzögern und Emotionen schüren können mit der Aussage, selbst der Schlichter sei jetzt gegen Stuttgart 21.“