Generaldebatte: Die große Koalition feiert sich
Bei der Generaldebatte konzentriert sich Kanzlerin Merkel auf eigene Erfolge — und Gregor Gysi schießt ein Eigentor.
Berlin. Wie kann man die Politik der großen Koalition angreifen? Der Bundeshaushalt eignet sich dafür wenig, schließlich ist er 2014 „strukturell ausgeglichen“, zum ersten Mal seit 45 Jahren, wie Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stolz verkündet. Mit aktuellem Klein-Klein, der EEG-Reform etwa, wie es Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter versucht? Die große Koalition feiert sich selbst dafür, ihre Fraktionschefs Volker Kauder (CDU/CSU) und Thomas Oppermann (SPD) sehen gerade in diesem Werk ein Beispiel für ihre reibungslose Zusammenarbeit. Vielleicht mit den großen Fragen. Europa, Ukraine, Krieg und Frieden?
Gregor Gysi von den Linken, der sich trotz magerer 8,6 Prozent Wahlergebnis Oppositionsführer nennen darf, probiert das. Und schießt ein Eigentor. Gysi attackiert nämlich nicht nur Merkel wegen ihrer „falschen Sparpolitik“ in Europa, wegen der Rüstungsexporte und ihrer Russland-Politik, er greift auch den Bundespräsidenten Joachim Gauck an. „Wie sagt unser Bundespräsident? Wir sollen noch mehr an Militäreinsätzen teilnehmen. Das bedeutet aber nicht, wie er meint, mehr Verantwortung, das bedeutet mehr Verantwortungsversagen“, ruft der Linken-Fraktionschef aus.
Dieser Satz trägt ihm hinterher nicht nur den Rüffel von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) ein, der Gysi darauf hinweist, dass das Staatsoberhaupt auf derartige Attacken nicht antworten könne. Auch die späteren Koalitionsredner finden hier ihre Munition. Sie halten Gysi vor, dass er Gauck unkorrekt zitiert habe. Der hatte gesagt, Deutschland dürfe den Einsatz militärischer Mittel „als letztes Mittel nicht von vornherein verwerfen“.
Durch das Eigentor lenkt Gysi selbst ab von seiner durchaus pointierten innenpolitischen Kritik an der Koalition: Dass die Mütterrente nur aus den Sozialkassen finanziert wird, nicht aber von allen aus dem Steuertopf. Dass die Vermögenden in Deutschland wenig belastet werden. Oder dass die Kanzlerin in Sachen NSA-Abhörskandal gegenüber Obama „duckmäusig“ gewesen sei. Auch der Grüne Hofreiter nennt solche Punkte und weist darauf hin, dass Merkel bei ihrer ersten Regierungserklärung 2005 mit dem Satz „Deutschland kann es besser“ angetreten sei. Dies stimme angesichts dieser Regierung.
Es kommt im Bundestag nicht zu einer heißen Auseinandersetzung zwischen Regierung und Opposition, wie es sonst bei Generaldebatten über den jährlichen Haushalt üblich ist. Erstens, weil die Koalition 80 Prozent Mehrheit und entsprechend viel Redezeit hat. Und zweitens, weil Merkel in ihrer über 30-minütigen Rede fast aufreizend monoton eigene Erfolge herunterbetet. Das reicht von „Deutschland bleibt Wachstumsmotor“ bis zum pathetischen Schlusssatz, dass Europa „ein Schatz von Frieden, Freiheit und Wohlstand“ sei.
Phasenweise ist das Parlament so sediert, dass es viele Minuten lang keinerlei Reaktionen mehr gibt, weder positive von der Koalition, noch negative von der Opposition. Auch die Minister auf der Regierungsbank wirken bei der Debatte nicht besonders aufmerksam.