Genscher fordert Erneuerung der FDP

Berlin (dpa) - Die FDP kommt auch nach der Entscheidung für Philipp Rösler als künftigen Parteichef nicht zur Ruhe. Der langjährige Außenminister Hans-Dietrich Genscher empfahl seiner Partei eine personelle Erneuerung über Rösler hinaus.

Das Profil der neuen FDP müsse durch mehr „neue Gesichter“ geprägt werden, sagte Genscher. In einer Forsa-Umfrage rutschten die Freidemokraten auf bundesweit nur noch 3 Prozent ab. Damit käme die Regierungspartei derzeit nicht einmal mehr in den Bundestag.

Der FDP-Ehrenvorsitzende Genscher meldete sich mit einem Beitrag für den Berliner „Tagesspiegel“ erstmals seit den verlorenen Landtagswahlen zu Wort. Die Partei stecke derzeit in der „schwersten strukturellen Krise seit ihrem Bestehen“. Wörtlich schrieb der 84-Jährige, der in der Partei immer noch viel Einfluss hat: „Da wird es manche in der FDP geben, die selbst zu dem Schluss kommen sollten: Es ist besser, das Profil der neuen FDP durch neue Gesichter prägen zu lassen.“

Genscher wandte sich gegen eine „Nischen- und Klientelpolitik“ der FDP. Marktwirtschaft und soziale Verantwortung gehörten zusammen. Das erste Umweltprogramm in der Bundesrepublik sei ein liberales gewesen; kein Mensch dürfe ausgegrenzt werden, so lauten Genschers Grundsätze für die FDP. Der Beitrag wurde als klare Aufforderung an Rösler gewertet, die personelle und inhaltliche Erneuerung der Partei fortzusetzen.

Der designierte Parteichef beansprucht vom scheidenden FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle auch den Titel des Vizekanzlers für sich. Darüber hinaus soll im schwarz-gelben Kabinett jedoch alles beim Alten bleiben. Auch die viel kritisierte Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Birgit Homburger, soll ihr Amt behalten.

Rösler hat aber schon deutlich gemacht, dass er in der Partei auch eine personelle Erneuerung durchsetzen will. Beim nächsten Parteitag Mitte Mai in Rostock wird das gesamte Präsidium neu gewählt. Wirtschaftsminister Rainer Brüderle hat sich bislang noch nicht festgelegt, ob er wieder Parteivize werden will. Auch Homburger ließ offen, ob sie sich fürs Präsidium bewirbt. Beide hatten am Dienstag Unterstützung aus Fraktion und Parteigremien bekommen.

Der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki forderte Homburger auf, die Führung der Bundestagsfraktion in neue Hände zu legen. Er hoffe „weiterhin, dass es auch Veränderungen an der Spitze der Bundestagsfraktion geben wird“, sagte Kubicki dem „Hamburger Abendblatt“. Homburger bezeichnete dies als „grobes Foul“. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler forderte im „Handelsblatt“ ebenfalls weitere personelle Konsequenzen.

In der in München mitregierenden bayerischen FDP herrscht massive Verärgerung über die nur geringfügige Umbildung an der Spitze der Bundespartei. „Die Unzufriedenheit ist groß“, sagte Landtags-Fraktionschef Thomas Hacker der Nachrichtenagentur dpa in München. „Das Signal zur Veränderung muss noch stärker werden.“

Rösler selbst sprach am Dienstagabend in der ARD von einem „Neuanfang“ für seine Partei. Die künftige FDP-Führungsmannschaft rief er auf, für einen Erfolg bei den drei 2011 noch anstehenden Landtagswahlen in Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin zu kämpfen. „Das kann man nicht beschwören in Talkrunden, sondern dafür muss man hart arbeiten. Aber genau das haben wir uns ja vorgenommen.“ Die schwarz-gelbe Koalition im Bund sei „stabil“.

In Umfragen erlebt das Regierungsbündnis allerdings einen dramatischen Absturz. Nach dem „Stern-RTL-Wahltrend“ liegen FDP und Union 18 Punkte hinter Grün-Rot. In der Forsa-Umfrage legten die Grünen um 7 Punkte auf 28 Prozent zu. Zusammen mit der SPD (23 Prozent/minus 2) ergäbe dies eine komfortable Mehrheit. Die Union liegt derzeit bei 30 Prozent (minus 3), die Linke bei 9 Prozent (plus 1). Die FDP wäre also mit 3 Prozent (minus 2), wenn am Sonntag gewählt würde, im Bundestag nicht mehr dabei.

Aus Sicht der SPD-Opposition gibt es bei der FDP noch keinen politischen Neuanfang. „Die FDP hat alles getan, ihre Probleme dauerhaft zu konservieren“, sagte Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann der Nachrichtenagentur dpa. Rösler habe sich gegen Brüderle, Westerwelle und Homburger nicht durchsetzen können. „Die FDP in diesem Zustand wollen wir als Koalitionspartner nicht mal geschenkt.“