Grüne weiter skeptisch zu Koalition mit Union
Berlin (dpa) - Große Koalition oder erstmals Schwarz-Grün: Für Kanzlerin Angela Merkel bleiben nach der unerwartet positiven Sondierung mit den Grünen beide Optionen offen.
Die CDU-Vorsitzende beriet am Freitag allerdings rund eineinhalb Stunden lang mit den Chefs von CSU und SPD, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel, über konkrete Kompromisslinien. Ein vergleichbares Treffen mit den Grünen war nicht geplant. Die Grünen-Spitze will direkt nach der für Dienstag geplanten zweiten Runde mit CDU und CSU entscheiden, ob sie Schwarz-Grün eine Chance gibt.
Einer Umfrage zufolge wünschen sich zwei Drittel der Deutschen eine große Koalition. Im „ARD-Deutschlandtrend“ erklärten 66 Prozent der Befragten, sie fänden eine Regierung aus Union und SPD gut oder sehr gut. Über Schwarz-Grün sagten dies lediglich 37 Prozent.
Spitzenpolitiker der Grünen äußerten sich zwar anhaltend skeptisch über eine Koalition mit CDU/CSU. Sie betonten aber auch ihre Verantwortung für eine stabile Regierung. Der dem Grünen-Verhandlungsteam angehörende baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann sieht seine Partei in einer schlechten Ausgangslage für eine erste schwarz-grüne Regierung im Bund: „Wir sind nun nicht gerade gut aufgestellt für solch ein Projekt.“ Regierungsteilhabe sei jedoch immer gut. „Aber es muss auch passen.“
Kretschmann sprach von einem „Ritt auf der Rasierklinge“ zwischen staatspolitischer Verantwortung und den Problemen, die Schwarz-Grün seiner Partei bescheren würde. Irgendjemand müsse aber schließlich das Land regieren. „Dieser Verantwortung stellen wir uns und deswegen stellen wir uns dem Gespräch ernsthaft.“
Grünen-Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke sagte der dpa, ihre Partei werde am Dienstag nach der zweiten Sondierungsrunde mit der Union die Gespräche bewerten und eine Entscheidung treffen. „Später geht das nicht mehr, weil am Wochenende unser Parteitag tagt.“
Spitzenvertreter von Union und SPD kommen am Montag um 16.00 Uhr zu ihrem nächsten Treffen zusammen. Dieses Gespräch soll wie die am Dienstag ab 17.00 Uhr geplante Runde mit den Grünen keine zeitliche Begrenzung haben. Beide Treffen sind wieder in der Parlamentarischen Gesellschaft nahe des Reichstagsgebäudes.
SPD-Vize Manuela Schwesig erwartet eine komplizierte Runde mit der Union. Die SPD werde sich nicht davon unter Druck setzen lassen, dass die Union mit den Grünen ein zweites Gespräch vereinbart habe. Schwesig gehört der Verhandlungsdelegation ihrer Partei an.
Seehofer hatte am Donnerstagabend über die kommenden Gespräche gesagt: „Prägend muss sein: Mit wem kann man ordentliche Politik die nächsten vier Jahre machen.“
Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) hält ein schwarz-grünes Bündnis im Bund nicht für wahrscheinlich, aber auch nicht für unmöglich. Sie sagte: „Es trifft beide Parteien, die Grünen wie die Union, unvorbereitet.“
Politiker von Union und Grünen hatten nach der Runde am Donnerstag von einem guten Gesprächsklima berichtet, aber auch große Unterschiede deutlich gemacht. So sei man sich im Ziel der Energiewende zwar einig, sagte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe in der ARD. „Aber da ist doch die Frage: Wie verbinden wir das mit der Notwendigkeit, wettbewerbsfähiger Industriestandort zu sein?“ Zur SPD gebe es wegen der gemeinsamen Regierungserfahrung eine besondere Nähe. Vor der Konstituierung des neuen Bundestags am 22. Oktober werde Klarheit herrschen, mit wem die Union verhandeln wolle.
Die Union war am Donnerstag nach Angaben aus Verhandlungskreisen beim Thema Industrierabatte bei der Ökostrom-Umlage auf die Grünen zugegangen. Bei vielen anderen Punkten habe es keine konkreten Annäherungen gegeben.
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte im Deutschlandfunk: „Ich kann jetzt nach gestern Abend nicht sagen, dass ich eine Vorstellung davon habe, dass man das vier Jahre tun könnte.“ Grünen-Chef Cem Özdemir meinte in der ARD, vor allem die CSU stehe Schwarz-Grün skeptisch gegenüber.