Heftige Kritik an Posten-Plus
Union und SPD genehmigen sich je zwei Vizepräsidenten. Am Dienstag sollen sie gewählt werden.
Berlin. Die erste Sitzung des neu gewählten Bundestages am Dienstag beginnt mit einem Vorgeschmack auf die große Koalition: Union und SPD wollen mit ihrer gemeinsamen Mehrheit durchsetzen, dass sie anders als bisher jeweils zwei Parlamentsvizepräsidenten bekommen, die Oppositionsparteien Grüne und Linke weiter jeweils nur einen. Es wird eine hitzige Debatte erwartet.
Regierungsparteien und Opposition werden im Parlamentspräsidium nach diesem Plan künftig im Verhältnis fünf zu zwei vertreten sein, denn Parlamentspräsident wird wieder Norbert Lammert (CDU). Die stärkste Fraktion hat traditionell ein Anrecht auf den Posten. Die Ausweitung der Zahl der hoch besoldeten Stellvertreter (mit Diät etwa 16 000 Euro monatlich) wurde schon am Montag von Oppositionspolitikern heftig kritisiert.
Union und SPD wiederum argumentierten, durch den Fortfall der FDP sei ein Präsidiumsplatz frei geworden. Für die verbliebenen Vizes hätte das eine steigende Arbeitsbelastung bedeutet. Außerdem kehre man nur zurück zu der Regelung, die es schon 2005 gegeben habe. Auch damals regierte eine große Koalition.
Union und SPD haben im neuen Bundestag eine Mehrheit von 80 Prozent. Das kann man am Dienstag auch optisch sehen. Letzte Woche wurde im so genannten „Vorältestenrat“ festgelegt, wie viele der telegenen Sitzplätze in der ersten Reihe welche Fraktion bekommt. Ergebnis: Union sieben, SPD fünf, Grüne und Linke jeweils zwei. Die Grünen sitzen dabei wie bisher zwischen Union und SPD.
Es gibt übrigens auch einen neuen Oppositionsführer: Gregor Gysi von den Linken. Was die Rechte der Mini-Opposition angeht, so wollen Union und SPD allerdings dafür sorgen, dass Grüne und Linke künftig auch mit nur 20 Prozent zum Beispiel die Einberufung eines Untersuchungsausschusses durchsetzen können. Bisher gilt dafür eine 25-Prozent-Hürde.
Die Regierungsbank bleibt am ersten Tag leer, weil das Kabinett ab Dienstag offiziell nicht mehr im Amt ist. Die Unions-Minister haben alle ein Abgeordnetenmandat und damit einen Stuhl im Plenarsaal. Nicht aber die fünf Regierungsmitglieder der FDP, deren Fraktion bei der Wahl aus dem Bundestag flog.
Am Dienstagnachmittag wird die bisherige schwarz-gelbe Regierung formell von Bundespräsident Joachim Gauck entlassen. Auch Kanzlerin Angela Merkel. Allerdings wird Gauck Merkel und ihr Kabinett bitten, „geschäftsführend“ weiterzumachen. Ab da dürfen alle dann auch wieder auf den gewohnten Plätzen vorne im Plenarsaal sitzen — falls es bis zur Bildung der neuen Koalition überhaupt noch eine weitere Bundestagssitzung gibt.
Unwahrscheinlich ist das nicht, denn drei Auslandseinsätze der Bundeswehr laufen zum Jahresende aus und müssen vom Bundestag verlängert werden. Vorsorglich wurde deshalb schon ein Sitzungstermin in der letzten Novemberwoche blockiert, zwei weitere Sitzungswochen gibt es womöglich im Dezember.
Bei einem der Einsätze, der Anti-Terrormission „Active Endeavour“ stimmte die SPD zuletzt gegen eine Verlängerung. Das Thema gehört damit zu den Konfliktpunkten in den kommenden Koalitionsrunden. Aber ohnehin müssen Union und SPD Regeln finden, wie sie sich in dieser Phase des Interregnums koordinieren. Auch vor europäischen Gipfeltreffen. Bei den Posten jedenfalls klappt das schon ganz gut.