Nachruf Helmut Schmidt - Der letzte Kult-Kanzler der Deutschen

Helmut Schmidt bediente die Gefühle der Kriegs- und Nachkriegsgeneration wie kein zweiter Sozialdemokrat

Helmut Schmidt am 18.10.1977 nach der Befreiung der Flugzeuggeiseln in Mogadischu.

Foto: Popp

Hamburg. Helmut Schmidts Tod reißt eine Lücke, die buchstäblich niemand füllen kann. Der Altkanzler war seit dem Ableben Richard von Weizsäckers die einzige noch lebende politische und moralische Autorität, hinter der sich fast alle Deutschen versammeln konnten. Ost und West, Alt und Jung, Arm und Reich, Links und Rechts. Helmut Kohl, wegen der Deutschen Einheit historisch eigentlich bedeutender, hat viel mehr polarisiert, weswegen er eine solche Zuneigung nicht genießt. Gerhard Schröders Leistung war zu kurzlebig, Angela Merkel ist noch mitten im Geschäft.

Aber woher kommt diese Verehrung der Deutschen für den Volksschullehrer-Sohn aus Hamburg? Sein legendäres Krisenmanagement 1962 als Innensenator der Hansestadt bei der großen Elbeflut kann der Grund nicht sein. Das ist nur den wenigsten erinnerlich. Schmidt, der Macher, dieses Image erfuhr seine eigentliche Prägung erst während der Kanzlerschaft 1974 bis 1982. Es waren Krisenjahre. Das Ölembargo der Opec-Staaten, die Rezession, beginnende Arbeitslosigkeit, dazu der Terrorismus der RAF. Nach aktuellen Maßstäben - man denke nur an die Antiterroreinsätze der Bundeswehr, die Ukraine-Krise oder die Flüchtlingswelle - waren das zwar große, aber keine überbordenden Herausforderungen.

Helmut Schmidt: Die Stationen seines Lebens
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Aber damals waren es die ersten Krisenjahre überhaupt nach dem langen Wirtschaftswunder, es war das Ende der Sorglosigkeit. Helmut Schmidt gab den Deutschen das Gefühl, dass ihr Schicksal bei ihm in sicheren Händen lag. Als dann 1977 die Befreiung der von Terroristen entführten Lufthansa-Passagiere in Mogadischu auch noch gelang - freilich um den Preis der Ermordung des ebenfalls entführen Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer durch die RAF - war er endgültig zum "Macher" geworden. Das ist er für die seit dem Kriegsende bis Mitte der 60er Jahre geborene Generation bis heute geblieben.

"Pflicht und Gelassenheit" seien seine Leitmotive, hat Schmidt in der von ihm herausgegebenen Wochenzeitschrift "Die Zeit" geschrieben. Und sich dabei ausdrücklich auf den altrömischen Kaiser Mark Aurel bezogen - unter einem solchen Vorbild machte er es selbstverständlich nicht. Oskar Lafontaine hat zu den von Schmidt bevorzugten Eigenschaften einmal böse gesagt, dies seien "Sekundärtugenden", mit denen man "auch ein KZ