Immer mehr Krankschreibungen wegen der Psyche
Berlin (dpa) - Psychische Erkrankungen sind in Deutschland weiter auf dem Vormarsch. Wie das Wissenschaftliche Institut der AOK (Wido) mitteilte, verursachten seelische Störungen im vergangenen Jahr 9,3 Prozent aller Fehltage am Arbeitsplatz - der bisherige Höchststand aus dem Jahr 2009 lag bei 8,6 Prozent.
Im Vergleich zu 1994 habe sich die Zahl der Krankschreibungen aus psychischen Gründen sogar mehr als verdoppelt. Für ihre Studien werten die Forscher regelmäßig die Krankheitsdaten der rund zehn Millionen erwerbstätigen AOK-Versicherten aus.
Als Ursache für seelische Leiden am Arbeitsplatz gilt neben Stress und Überlastung auch fehlendes Lob vom Chef. Einer Mitarbeiterbefragung des Wido zufolge werden mehr als 54 Prozent der Beschäftigten selten oder nie von ihrem Vorgesetzten gelobt. „Das fördert weder das Wohlbefinden am Arbeitsplatz noch den Unternehmenserfolg“, warnte Wido-Geschäftsführer Helmut Schröder. Wer Anerkennung erhalte, habe weniger gesundheitliche Beschwerden und identifiziere sich häufiger mit dem eigenen Unternehmen. „Doch viele Chefs verhalten sich nicht entsprechend.“
Allerdings stehen auch die Führungskräfte zunehmend unter Druck - vor allem in der unteren und mittleren Führungsebene. „Zeit zum Kranksein nehmen sich die wenigsten“, diagnostizierte Schröder angesichts der neuesten Zahlen. Danach waren Führungskräfte im Jahr 2010 nur an durchschnittlich 4,8 Tagen krankgemeldet, schleppten sich aber an 8,3 Tagen ins Büro, obwohl sie eigentlich ins Bett gehörten.
Das durchschnittliche AOK-Mitglied war im vergangenen Jahr 17,6 Tage krank - 0,3 Tage länger als im Jahr zuvor. Die meisten Krankheitstage (24,2 Prozent) entfielen auf Muskel- und Skeletterkrankungen. Meist handelt es sich dabei um Rückenschmerzen. Auf den Plätzen zwei und drei folgten akute Verletzungen (12,9 Prozent) und Atemwegserkrankungen (12,0 Prozent).
Rang vier belegen die psychischen Erkrankungen, die nach Schröders Worten besonders langwierig sind: „Sie verursachen pro Jahr 23 Arbeits-Unfähigkeits-Tage und damit die längsten Ausfallzeiten.“ Patienten mit Atemwegserkrankungen bleiben im Schnitt nur 6,4 Tage ihrem Arbeitsplatz fern.
Sehr unterschiedlich sind auch die Krankheitstage der verschiedenen Berufsgruppen - je nach der körperlichen Beanspruchung der Betroffenen. Während Straßenreiniger und Müllmänner im Jahr durchschnittlich 30 Tage ausfallen, sind es bei Hochschullehrern gerade einmal 4,8 Tage.