Interview: „Rösler hat ein schweres Amt übernommen“
Das FDP-Urgestein Burkhard Hirsch fordert eine inhaltliche Neuaufstellung der Partei.
Herr Hirsch, aller Voraussicht nach wird Philipp Rösler im Mai zum FDP-Vorsitzenden gewählt. Ist er der Richtige?
Hirsch: Ich kenne Philipp Rösler gut. Er ist ein guter Kandidat für den Bundesvorsitz. Aber er hat ein schweres Amt übernommen. Und man kann aus der Personalie Rösler nicht erkennen, welche Konsequenzen die FDP aus ihrer Krise ziehen will. Dadurch, dass dieselben Köpfe andere Hüte bekommen, ändern sich nicht die Inhalte der Köpfe.
Welche Inhalte braucht die FDP denn Ihrer Meinung nach?
Hirsch: Die FDP braucht überzeugende Antworten auf die Fragen der Energiepolitik — ich bin ein Gegner der Atomenergie. Sie muss erklären, was mit unserer europäischen Währung werden soll — Stichwort Transferunion. Sie muss sagen, wie sie Freiheit und Chancengleichheit definiert. Und sie muss aufhören, als politische Vertretung der Interessen ausschließlich der Wirtschaft zu erscheinen.
Vorausgesetzt, Philipp Rösler sähe das alles auch so: Kann er das als Gesundheitsminister vorantreiben?
Hirsch: Nein. Dieses Ministerium reicht als politische Basis nicht aus. Ich wünschte, er übernähme ein Amt mit größerer innenpolitischer Verantwortung.
Aber Rainer Brüderle wird das Wirtschaftsministerium sicher nicht freiwillig abgeben.
Hirsch: Ich habe selten einen Minister erlebt, der sein Amt freiwillig aufgibt. Brüderle ist ein äußerst honoriger, ernsthafter und angenehmer Gesprächspartner. Aber darum geht es nicht. Der Vorsitzende einer Partei braucht ein Amt mit großer innenpolitischer Bedeutung. Und das Justizministerium ist mit Frau Leutheusser-Schnarrenberger hervorragend besetzt.
Was erwarten Sie an Unterstützung von der CDU/CSU?
Hirsch: Nichts.
Aber die Union braucht doch einen starken Koalitionspartner.
Hirsch: Deshalb wäre die Kanzlerin auch gut beraten, der FDP mehr Entwicklungsmöglichkeit einzuräumen.
Wird Rösler die Partei einen können?
Hirsch: Wir werden im Mai in Rostock sicher keinen innerparteilichen Feldgottesdienst erleben. Und die Tatsache, dass Rösler am Dienstag nur die Kandidatur zum Parteivorsitzenden gewonnen hat, zeigt schon, wie schwer es für ihn werden wird. Ich wünsche ihm und uns, dass er das schafft.