Union will Atomkonsens
Berlin (dpa) - Die Union wirbt bei SPD und Grünen für einen Konsens in der Atompolitik und bietet dazu Ausstiegsverhandlungen an.
In beiden Parteien habe es in den vergangenen Tagen „nachdenkliche und zum Teil konstruktive Äußerungen gegeben“, so dass ein Konsens nicht auszuschließen sei, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion im Bundestag, Peter Altmaier (CDU), am Dienstag in Berlin. Es könne aber keine Einigung um jeden Preis geben. „Es muss am Ende ein realistisches, vernünftiges Energiekonzept stehen.“
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte, Union und FDP hätten mit ihrer Laufzeitverlängerung einen „Irrweg“ beschritten. „Selten hat eine Regierung die Energiepolitik so ins Chaos geführt“, sagte Steinmeier am Rande einer SPD-Fraktionssitzung. „Weil dies nicht so bleiben kann, ist die SPD bereit, ihren Teil zu einer sicheren Energieversorgung beizutragen.“ Als Bedingung nannte er, dass keines der jetzt abgeschalteten AKW wieder an Netz gehen dürfe.
SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber schlug vor, dass die Experten aller Fraktionen noch in dieser Woche mit den Arbeiten für die Rückkehr zur Energiewende beginnen. „Jede gewonnene Minute ist jetzt viel Geld wert“, so Kelber mit Blick auf Schadenersatzforderungen von RWE wegen des zwangsweisen AKW-Stillstands. Bereits bis Mitte Juni könnte ein neues Atomgesetz mit weniger Meilern und kürzeren Restlaufzeiten stehen. Rot-Grün wehrt sich dagegen, erst bei der Debatte über das neue Atomgesetz eingebunden zu werden.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) schwor am Dienstag die Unions-Fraktion auf ihren neuen Kurs nach der Atomkatastrophe von Fukushima ein. Das Atom-Moratorium mit der vorübergehenden Stilllegung von sieben älteren Atomkraftwerken sei eine Chance für die Union, sagte Merkel laut Teilnehmern. Von Vertretern des Wirtschaftsflügels hatte es starke Kritik an dem neuen energiepolitischen Kurs gegeben. „Das Thema darf nicht länger Kampfthema in der Gesellschaft sein“, sagte Merkel. Es sei die Stunde für eine langfristige Lösung gekommen.
Wie von Merkel unterstützt, sollen einige Sitzungen der neuen Ethikkommission, die binnen zwei Monaten eine Empfehlung für oder gegen einen Atomausstieg geben soll, öffentlich sein. Die Treffen am 28. April und am 28. Mai werden vom TV-Sender Phoenix übertragen. Zudem will sich der 17 Mitglieder umfassende „Rat der Weisen“ Mitte April und Mitte Mai zu zwei mehrtägigen Klausurtagungen treffen.
Sorgen bereitet eine Studie, wonach Deutschland schlecht auf einen massiven und langen Stromausfall vorbereitet ist. Das geht aus einer noch unveröffentlichten Analyse des Büros für Technikfolgen-Abschätzung (TAB) beim Bundestag hervor, die der „tageszeitung“ (taz) vorliegt. „Unterstellt man das Szenario eines mindestens zweiwöchigen und auf das Gebiet mehrerer Bundesländer übergreifenden Stromausfalls, kämen die Folgen einer Katastrophe nahe“, heißt es in dem Bericht. Diese wäre kaum beherrschbar.
Der Bericht war vom Innenausschuss des Bundestages in Auftrag gegeben worden. Derzeit warnen unter anderem die Energiekonzerne vor der Gefahr eines größeren Stromausfalls. Im Mai werden zeitweise bis zu 13 Atomkraftwerke als Stromlieferanten ausfallen, da neben den acht abgeschalteten Meilern weitere für Revisionen vom Netz gehen.
Bisher gibt es laut den Netzbetreibern zwar wegen der Abschaltung fast der Hälfte der deutschen Atomkraftwerke erhöhte Anforderungen an das Netz, aber keine vermehrten Blackouts. Deutschland hat bisher ein stabiles Stromnetz, in den vergangen Jahren fiel im Schnitt für weniger als 20 Minuten pro Jahr der Strom aus.
Besonders dramatisch wären nach dem TAB-Bericht die Folgen für Krankenhäuser und Pflegeheime. Zwar sei die Wahrscheinlichkeit eines langen Stromausfalls momentan gering. Aber extreme Wetterlagen und Terroranschläge kämen als Ursache für einen großen Blackout infrage.
Linke-Fraktionschef Gregor Gysi pocht auf staatliche Strompreis-Regulierungen, um eine Abwälzung der durch den Atomausstieg entstehenden Kosten auf die Verbraucher zu verhindern. „Erneuerbare Energien kosten auch Geld“, so Gysi. Notwendig seien ein neuer Umgang mit den Profiten der Energiekonzerne und mehr Steuergerechtigkeit.