Jede sechste Klinik in Deutschland steht vor der Pleite
Vor allem kleine kommunale Krankenhäuser sind bedroht. Um Geld zu verdienen, werden immer mehr Patienten behandelt.
Berlin/Düsseldorf. Das nächste Krankenhaus ist nur wenige Kilometer entfernt — vielen Menschen gibt dieser Gedanke Sicherheit. Nicht umsonst werden Klinikschließungen häufig von Einwohnerprotesten begleitet. Doch dem kleinen Krankenhaus am Ort mit Rundum-Versorgung droht das Aus.
Der Krankenhaus-Rating-Report 2012 des öffentlich geförderten Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) offenbart: Jede sechste der rund 2050 Kliniken in Deutschland ist insolvenzgefährdet. Das entspricht 15 Prozent aller Häuser, die durch geringes Eigenkapital und hohe laufende Kosten potenziell von der Pleite bedroht sind. Vor allem kleine kommunale Krankenhäuser ohne Spezialisierung stehen schlecht da. So waren 2010 laut Studie 18 Prozent der öffentlich-rechtlichen Häuser gefährdet, aber nur neun Prozent der gemeinnützigen und zwei Prozent der privaten.
Steigende Löhne, schlechte Auslastung, hohe Kosten wegen eines breiten Angebots, ein geringes Einzugsgebiet — das ist für viele kommunale Kliniken ein tödlicher Mix. „Probleme haben vor allem Krankenhäuser, die alles machen und von allem möglichst viel“, sagt Studienautor Boris Augurzky.
Geld, das Haus in Schuss zu halten und neues Gerät zu beschaffen, fehlt vielen deutschen Krankenhäusern. Laut Report — für den 991 Jahresabschlüsse von Krankenhäusern ausgewertet wurden — gelingt es mehr als der Hälfte der Kliniken schon jetzt nicht mehr, ausreichend Erträge zu erwirtschaften, um Investitionen tätigen zu können.
Das Problem: Oft suchen sie ihr Heil in möglichst vielen Operationen. Von dem Anstieg bei den Behandlungen von 13 Prozent zwischen 2006 und 2010 sind laut RWI nur 40 Prozent durch die Alterung der Gesellschaft erklärbar. Daneben würden Kliniken heute einfach mehr Patienten aufnehmen, die früher aus der Ambulanz wieder nach Hause geschickt wurden. „Das Vergütungssystem ist heute so angelegt, dass Klinik-Ärzte immer zugunsten der stationären Behandlung entscheiden. Das ist schön für die Krankenhäuser, aber ist das auch schön für die Beitragszahler?“, fragt Augurzky.
Der Studienleiter schätzt, dass nicht alle der bedrohten Kliniken schließen werden. Wenn in dünn besiedelten Regionen weit und breit keine andere Möglichkeit besteht, müssten auch schlecht frequentierte Häuser erhalten bleiben. Doch zumindest acht Prozent der Krankenhäuser würden bis 2020 wohl dicht machen.