Jeder zehnte Arbeitslose ist zusätzlich auf Hartz IV angewiesen
Nürnberg/Saarbrücken (dpa) - Jeder zehnte Kurzzeit-Arbeitslose in Deutschland bezieht so wenig Arbeitslosengeld, dass er zusätzlich auf Hartz IV angewiesen ist. Insgesamt hätten im Oktober vergangenen Jahres 83 115 Arbeitslosengeld-Empfänger auch noch finanzielle Unterstützung vom örtlichen Jobcenter erhalten.
Das seien knapp 14 Prozent mehr als im Oktober 2011, berichtete die Bundesagentur für Arbeit (BA) am Montag in Nürnberg. Sie bestätigte damit einen entsprechenden Bericht der „Saarbrücker Zeitung“ (Montag). Aktuellere Daten lägen der Bundesagentur derzeit nicht vor.
Trotz der absoluten Zunahme hat sich nach den Bundesagentur-Zahlen der Anteil der sogenannten aufstockenden Arbeitslosen binnen Jahresfrist allerdings nicht verändert: Weiterhin liegt der Anteil der Hartz IV beziehenden Kurzzeit-Arbeitslosen bei rund zehn Prozent. Das liegt nach BA-Einschätzung auch daran, dass binnen Jahresfrist die Zahl der Arbeitslosengeld-I-Empfänger spürbar gestiegen ist.
2010 und 2011 hatten die BA-Zahlen zudem eine sinkende Tendenz: von im Jahresschnitt knapp 103 000 aufstockenden Arbeitslosen auf knapp 82 000. Die Entwicklung in den ersten zehn Monaten 2012 weist allerdings wieder auf einen leichten Anstieg im Jahresschnitt hin.
Die Bundestagsfraktion der Linken macht dafür laut „Saarbrücker Zeitung“ vor allem die wachsende Zahl von Beschäftigten im Niedriglohnsektor verantwortlich. Auch die zunehmende Teilzeitbeschäftigung spiegele sich darin wider. Die Grünen im Bundestag sprachen am Montag von einem „verhängnisvollen Trend“: „Erst Lohnarmut, dann der Absturz ins Arbeitslosengeld II. Das ist für immer mehr Beschäftigte, die ihren Job verlieren, bittere Realität“, kritisierte die Grünen-Politikerin Brigitte Pothmer.
Ihnen widersprach am Montag das unternehmensnahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Von einem steigenden Trend könne keine Rede sein; die Zahl der aufstockenden Arbeitslosen habe in den Vorjahren deutlich höher gelegen. Auch sei, anders als von der Linkspartei angeführt, der Niedriglohnsektor seit 2007 nicht gewachsen. Dass Jobsucher ihr Arbeitslosengeld mit Hartz IV aufstockten, habe verschiedene Gründe. Einige hätten vorher Teilzeit gearbeitet oder sie könnten wegen einer großen Familie einen hohen Bedarf beim Jobcenter geltend machen.
Arbeitslosengeld-Empfänger haben immer dann einen Anspruch auf zusätzliche Hartz-IV-Leistungen, wenn die Höhe des Arbeitslosengeldes I niedriger ist als der durchschnittliche Hartz-IV-Satz samt Miete und Heizung. Dieser lag für einen Single-Haushalt im vergangenen Jahr nach Bundesagentur-Berechnungen bei 581 Euro. Um im Falle eines Jobverlustes beim Arbeitslosengeld I nicht unter diese Hartz-IV-Schwelle zu rutschen, muss ein Job-Suchender zuletzt etwa 1350 Euro verdient haben. Lag sein Monatsverdienst darüber, hat er Anspruch allein auf das reguläre Arbeitslosengeld I, das aber in der Regel nur im ersten Jahr der Arbeitslosigkeit gezahlt wird.