Kassen warnen: Kronen werden 74 Euro teurer
Berlin (dpa) - Die Kosten von Zahnarztbehandlungen drohen nach Warnungen der Krankenkassen drastisch anzuziehen - etwa für eine Krone um 74 Euro.
„Das dürfen wir doch im Interesse unserer gesetzlich Versicherten nicht einfach so hinnehmen“, sagte der Vizechef des Verbands der gesetzlichen Krankenkassen, Johann-Magnus von Stackelberg, am Sonntag der Nachrichtenagentur dpa in Berlin. Für die Zahnärzte gehen die dafür verantwortlichen Regierungspläne hingegen nicht weit genug. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles warf FDP-Gesundheitsminister Daniel Bahr „Klientelpolitik“ zugunsten der Zahnärzte vor.
Das Bundesgesundheitsministerium will die zahnärztliche Gebührenordnung novellieren. „Die Vollkrone würde künftig rund 74 Euro mehr kosten“, warnte Stackelberg. So eine Krone mache bisher in der Regel 256 Euro aus, künftig würden 330 Euro fällig. Bei einer Teleskop- oder Konuskrone drohe der Preis von bisher 276 sogar auf 513 Euro zu steigen - Mehrkosten für Patienten: 237 Euro.
„Gerade die geplante Punktzahlerhöhung für Leistungen, die von GKV-Versicherten oft nachgefragt werden, muss deutlich niedriger ausfallen“, forderte Stackelberg. Diese unterschiedlichen Punktzahlen werden den einzelnen Zahnarzt-Behandlungen zugeordnet, aufwendigere Leistungen haben höhere Punktzahlen. Die Zahl der Punkte wird mit dem Punktwert multipliziert - so ergibt sich der einfache Gebührensatz. Dieser wird aber nochmals mit einem Steigerungssatz multipliziert - dadurch erhöht sich der tatsächlich fällige Preis je nach Schwierigkeitsgrad und Zeitaufwand.
„Der Zahnarzt kann selbst entscheiden, welchen Steigerungssatz er für einzelne Leistungen benutzt“, erläuterte Stackelberg. „Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass viele das obere Spektrum ausreizen.“ Deshalb kritisiert der Kassenfunktionär die Annahme der Regierung als „optimistisch knapp geschätzt“, dass die Honorare durch die Reform insgesamt nur um sechs Prozent ansteigen würden. Der Verband der privaten Krankenversicherung hatte bereits kritisiert, das Honorarplus betrage mindestens 14 Prozent.
Die Bundeszahnärztekammer und die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung fordern dagegen Nachbesserungen in ihrem Sinne. So sieht der Referentenentwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium vor, dass der Punktwert nicht angehoben werden soll. Auch bei einem sechsprozentigen Honoraranstieg kann den Zahnärzten zufolge keine Rede davon sein, dass „eine angemessene Teilhabe (...) an der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung auch nur annähernd sichergestellt wird“. Es gebe sogar Behandlungen, die gar nicht besser bezahlt würden, kritisieren die Mediziner in einer Stellungnahme.
SPD-Generalsekretärin Nahles kritisierte, die Neuordnung der Honorare solle den Zahnärzten ein sattes Einkommens-Plus auf Kosten der gesetzlich Versicherten bescheren. „Endlich ist klar, was die FDP unter "mitfühlendem Liberalismus" versteht: Daniel Bahr entdeckt sein Herz für notleidende Zahnärzte.“
Die neue Gebührenordnung soll Anfang nächsten Jahres in Kraft treten, muss aber vorher noch von Regierung und Bundesrat beschlossen werden. Die Regeln für Deutschlands rund 66 000 Zahnärzte sollen erneuert werden, weil sie an vielen Stellen nach 23 Jahren nicht mehr dem aktuellen Stand entsprechen. Geregelt wird in der Verordnung die Bezahlung der Zahnärzte durch Privatpatienten - aber auch durch Kassenpatienten bei jenen Behandlungen, die über Standardleistungen hinausgehen.
Laut AOK werden rund 60 Prozent des Zahnersatzes für gesetzlich Versicherte nach der privaten Gebührenordnung abgerechnet. Schon ein Aufschlag von sechs Prozent belaste die gesetzlich Versicherten jährlich zusätzlich mit 280 Millionen Euro. Die gesetzlichen Kassen gaben für zahnärztliche Behandlung 2009 noch insgesamt rund 11,6 Milliarden Euro aus, 2010 waren es bereits ohne Gebührenreform 11,9 Milliarden.