„Spiegel“: Atomindustrie bereitet Verfassungsklagen vor

Berlin (dpa) - Die großen Stromkonzerne wollen laut „Spiegel“ mit Hilfe des Bundesverfassungsgerichts Schadenersatz vom Bund für das schnelle Abschalten ihrer Atommeiler eintreiben.

Sie bereiten nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins Verfassungsklagen gegen die Bundesregierung vor, um das Atomgesetz zu kippen und anschließend Schadensersatzforderungen stellen zu können. Dazu hätten sie namhafte Anwaltskanzleien engagiert und sich mit entsprechenden Gutachten gewappnet. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast rief die Konzerne auf, sich aktiv an der Energiewende zu beteiligen statt dagegen zu klagen. CSU-Chef Horst Seehofer gibt Klagen keine Erfolgschancen.

So gingen etwa der Verwaltungsrechtler Christoph Moench und der Staatsrechtler Rupert Scholz in einem für den Düsseldorfer Eon- Konzern verfassten Gutachten davon aus, dass der von der Bundesregierung geplante Ausstieg klar gegen die Verfassung verstoße. Die den Konzernen im Jahr 2000 zugestandenen Reststrommengen für Atomkraftwerke, so die Juristen der Kanzlei Gleiss Lutz, seien Eigentum der Konzerne, das durch das Eigentumsrecht des Grundgesetzes geschützt sei.

In dieses Eigentumsrecht jedoch greife der Staat mit dem geplanten Ausstiegsgesetz massiv ein, ohne bislang „stringente Gründe dafür zu liefern“, zitiert das Blatt aus dem Papier. Somit stünde den Konzernen Schadensersatz zu, der nach Schätzungen der Unternehmen im zweistelligen Milliardenbereich liege.

Der schwedische Konzern Vattenfall erwägt nach Informationen des „Spiegel“ wegen der dauerhaften Stilllegung seines Atommeilers Krümmel sogar, ein internationales Schiedsgericht anzurufen, falls eine gütliche Einigung mit Berlin nicht zustande kommt. Auch die von der Bundesregierung verhängte Brennelementesteuer wollen die Konzerne anfechten. So will RWE dem Bericht zufolge bereits in der nächsten Woche erste Einsprüche beim zuständigen Finanzamt einlegen.

Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer sieht möglichen Klagen gelassen entgegen. „Wir haben ein verfassungsfestes Atomgesetz vorgelegt“, sagte er der „Financial Times Deutschland“ (Montag). Darin habe man den Betreibern anders als ursprünglich beabsichtigt sogar die Übertragung von Reststrommengen der alten und jetzt stillgelegten Kernkraftwerke noch zugestanden. „Da sind wir auf der sicheren Seite.“

Künast sagte am Sonntag in Berlin, die Atomkonzerne sollten sich keinen Illusionen hingeben: „Ihre Klagen schaden ihnen auch finanziell langfristig mehr, als sie ihnen nutzen. Die Zeit der AKW-Profite läuft ab, viele Aktionäre haben das längst begriffen.“ Aktionäre und Kunden würden genau beobachten, ob den Konzernen die Neuausrichtung gelinge und davon auch ihre Unterstützung abhängig machen.

Vor dem Meiler Brokdorf in Schleswig-Holstein demonstrierten am Wochenende rund 200 Atomkraftgegner friedlich. Sie verlangten ein sofortiges Aus sämtlicher Atomkraftwerke in Deutschland.