Kein Platz für türkischen Botschafter im NSU-Prozess

Berlin (dpa) - Neue Kritik am Oberlandesgericht München wegen der Vorbereitung des NSU-Prozesses: Obwohl die meisten Opfer der rechtsextremen Terrorzelle aus der Türkei kamen, soll der Botschafter des Landes keinen Platz im Gerichtssaal reserviert bekommen.

Der Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag, Sebastian Edathy (SPD), monierte die Absage: „Ich habe die Entscheidung des Gerichts selbstverständlich zu respektieren, aber ich halte sie für ungut.“

Edathy hatte um Plätze für den Botschafter und den Vorsitzenden des Menschenrechtsausschusses des türkischen Parlaments gebeten. „Sechs der Mordopfer waren türkische Staatsbürger, zwei weitere Deutsche türkischer Herkunft - es ist verständlich, dass in der Türkei ein großes Interesse an dem Prozess besteht“, sagte Edathy der Nachrichtenagentur dpa. „Es war ein völlig legitimer Wunsch, an dem Verfahren teilzunehmen. Es wäre eine angemessene Geste gewesen, diesem Wunsch zu entsprechen.“

Dem Botschafter sei es auch nicht zuzumuten, sich in die Warteschlange einzureihen, sagte Edathy. „Man stelle sich vor, der Botschafter müsste sich stundenlang vor dem Gericht anstellen, möglicherweise noch flankiert von Neonazis. Das ist nicht zumutbar.“

Eine Gerichtssprecherin machte rechtliche Bedenken geltend. Eine Reservierung verstoße gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit und sei ein möglicher Revisionsgrund. Die Raumverhältnisse im Gericht waren wiederholt kritisiert worden. Nach bisheriger Planung sollen im Gerichtssaal nur 50 Plätze für die Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, weitere 50 für Journalisten. „Das Problem liegt darin, dass es versäumt wurde, rechtzeitig einen angemessen großen Sitzungssaal auszubauen“, sagte Wolfgang Wieland, der Obmann der Grünen im Untersuchungsausschuss des Bundestages.

Das bayerische Justizministerium wollte die Entscheidung nicht kommentieren. Dem Gericht seien „ausreichende finanzielle und personelle Mittel“ zur Verfügung gestellt worden, um den Prozess zu führen, sagte ein Sprecher lediglich.

Der Chef der SPD-Fraktion im bayerischen Landtag, Markus Rinderspacher, forderte das Gericht auf, dem türkischen Botschafter im NSU-Prozess einen festen Zuschauerplatz zu reservieren. „Der Prozess ist von besonderem öffentlichem Interesse, nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Türkei. Dem türkischen Botschafter sollte in jedem Fall die Teilnahme am Prozess an einem festen Platz ermöglicht werden“, sagte Rinderspacher.

Der Prozess gegen die mutmaßliche Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Helfer und Unterstützer der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ soll am 17. April beginnen. Dem NSU werden zehn Morde zugerechnet. Opfer waren neun türkisch- und griechischstämmige Kleinunternehmer und eine Polizistin.