Landessynode der Evangelischen Kirche Kirchliche Software – Gut gemeint und schlecht gemacht
Bad Neuenahr · Die rheinische Landeskirche quält sich mit der Kostenexplosion bei einer Software.
Als Harald Kruse, Leitender Oberstaatsanwalt aus Koblenz, die Stirnseite des Tagungssaals für seine Präsentation benötigt, muss erst einmal das Banner hinter der Kirchenleitung mit einem unangenehmen Quietschen heruntergelassen werden. Ein symptomatisches Geräusch: Am dritten Tag stehen bei der Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland (Ekir) zwei quälende Themen im Blickpunkt – die Kostenexplosion bei der Einführung einer neuen Buchhaltungssoftware und der kirchliche Umgang mit sexualisierter Gewalt.
Kruse hatte den Auftrag, die Pannen rund um die Software Wilken P5 aufzuarbeiten. Und was er den 206 Abgeordneten des Kirchenparlaments an diesem Dienstagmorgen präsentiert, ist für die Landeskirche wenig schmeichelhaft. Die Software, die seit dem Jahresanfang schrittweise in allen Kirchenkreisen eingeführt wird, war nicht nur beim ersten Test im Kirchenkreis Kleve vor einem Jahr mit technischen Problemen behaftet, sie wurde am Ende auch fast um die Hälfte teurer. 7,86 Millionen Euro hatte die Synode im Januar 2018 bewilligt, 3,4 Millionen mehr musste die Landeskirche schließlich aufwenden.
Eine mangelhafte Kostenschätzung hält Kruse denn auch dem Landeskirchenamt vor: Weder wurde die Mehrwertsteuer eingerechnet noch erforderliche Beratungskosten oder Reserven für Unvorhergesehenes. Als „sehr problematisch“ bezeichnet der Jurist, dass die Kostensteigerung schon zumindest teilweise vor Jahresfrist bekannt war, aber weder der Landessynode 2019 mitgeteilt noch im Finanzbericht erwähnt wurde.
Immerhin: Einen Anfangsverdacht auf Untreue oder Ansätze für vorsätzliches Handeln kann Kruse nicht erkennen. Und eine „gewisse Tragik“ mag er dem ganzen Vorgang auch beimessen: weil man es im Landeskirchenamt nach der von vielen Basisprotesten und Pannen begleiteten Einführung des Neuen Kirchlichen Finanz-Managements diesmal „wirklich richtig gut hat machen wollen“.
Sexualisierte Gewalt:
29 Ermittlungen gegen Pfarrer
Nicht nur guter Wille, sondern eine seit Jahren auch schon festgeschriebene Vorgehensweise prägt dagegen den Umgang der Ekir mit sexualisierter Gewalt. Seit 2003 gibt es sowohl Beratungs- und Begleitungsangebote für die Opfer als auch klare Anweisungen für straf- und disziplinarrechtliche Maßnahmen.
Seither wurde in 29 Fällen gegen Pfarrerinnen und Pfarrer ermittelt. In neun Fällen kam es zur Einstellung des Verfahrens, sechs Verfahren sind noch anhängig, davon drei bei der Staatsanwaltschaft. Macht unter dem Strich bisher 14 Fälle, in denen es für die Pfarrer straf- und/oder disziplinarrechtliche Konsequenzen gab. Die Vorfälle betreffen, so Ekir-Sprecher Jens Peter Iven, teils auch schon die Zeit vor 2003. Opfer waren sowohl Erwachsene als auch Kinder und Jugendliche.
Damit sind aber längst nicht alle Fälle im kirchlichen Rahmen erfasst. Denn bei Missbrauch durch Erzieher oder Jugendmitarbeiter ist der jeweilige Anstellungsträger selbst zuständig. Eine zentrale Erfassungsstelle innerhalb der Ekir gibt es bisher noch nicht.
Das soll jetzt anders werden. Der Synode liegt ein Kirchengesetz zum Schutz vor sexualisierter Gewalt vor, das bis Donnerstag beschlossen werden soll. In dem Gesetz, das im kommenden Jahr in Kraft tritt, werden die schon geltenden Bestimmungen festgeschrieben und erweitert. So müssen alle Mitarbeiter und teils auch Ehrenamtliche zu Beginn ihrer Tätigkeit und dann alle fünf Jahre erweiterte Führungszeugnisse vorlegen. Hinweise auf Verdachtsfälle sind verpflichtend; eine zentrale Melde- und Ansprechstelle erfasst die Fälle. Ob auch das vorgesehene Einstellungsverbot für rechtskräftig Verurteilte Bestand haben wird, hängt vom Verlauf der Diskussion ab.
Für Claudia Paul, seit 2011 Ansprechpartnerin für Betroffene, steht fest: „Heute werden mehr Grenzverletzungen gemeldet als früher.“ Man ermutige die Opfer, Anzeige zu erstatten, ergänzt Edwin Jabs, Leiter der Evangelischen Hauptstelle für Familien- und Lebensberatung. „Aber die Betroffenen entscheiden selbst, wie weit sie gehen wollen.“ Manche sehen sich einem Verfahren nicht gewachsen, sondern wollen vor allem eine Anerkennung des erlittenen Leids erfahren.
Kirchliche Hochschule kann auf Bestandszusicherung hoffen
Ein Wandel zeigt sich im Umgang mit der Kirchlichen Hochschule in Wuppertal ab. Bei der Synode vor fünf Jahren war noch ein Beschluss gefasst worden, der einen Ausstieg der Ekir aus der Trägerschaft für den Fall ermöglichen sollte, dass es nicht zu einer finanziellen Entlastung durch andere Geldgeber kommt. Diese Entlastung ist bis jetzt nicht eingetreten. Dennoch gibt es nun eine Vorlage, mit der die Ekir ihren 66-prozentigen Anteil an der Finanzierung (jährlich knapp 2,8 Millionen Euro) dauerhaft zusagen würde. Weitere Träger sind die Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel und die Evangelische Kirche von Westfalen.
Nicht „vorauseilender Rückzug, sondern kluge strategische Gestaltung und Neuausrichtung“ sei gefragt, sagt Präses Manfred Rekowski dazu. Er selbst dagegen hat seinen Rückzug nun öffentlich gemacht: 2021 stehe er für eine Wiederwahl nicht zur Verfügung.