Klärung der Vorwürfe gegen Koch-Mehrin bis Ende Mai
Heidelberg (dpa) - Vor gut einer Woche haben Plagiatsjäger im Internet die Doktorarbeit der FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin ins Visier genommen - mittlerweile glauben sie, dass die Vizepräsidentin des Europaparlaments vorsätzlich fremde Texte kopiert hat.
Der Münchner Plagiatsexperte Volker Rieble hält den Entzug des Doktortitels für möglich. Die Universität Heidelberg prüft die Vorwürfe, spätestens Ende Mai soll das Ergebnis des Promotionsausschusses vorliegen. Die SPD forderte Koch-Mehrin auf, sich zu erklären.
Die anonymen Überprüfer der Internet-Plattform „VroniPlag Wiki“ kommen zu dem Ergebnis: „In der untersuchten Dissertation wurden in erheblichem Ausmaß fremde Quellen verwendet, die nicht oder nicht hinreichend als Zitat gekennzeichnet wurden.“ Weiter heißt es in dem im Netz veröffentlichten Bericht: „Die zahlreichen textuellen Anpassungen der Plagiate sowie die Tatsache, dass Plagiate über die gesamte Dissertation hinweg zu finden sind, lassen darauf schließen, dass die Textübernahmen kein Versehen waren, sondern bewusst getätigt wurden.“
Die Uni will die Vorwürfe der Internet-Plattform in ihre unabhängige Prüfung einbeziehen. Bewertet werde die Arbeit aber nach den Kriterien der Wissenschaft, betonte eine Sprecherin. Erhärte sich der Verdacht gegen Koch-Mehrin, werde sie angehört.
Die Internet-Plattform hatte mit ihren Untersuchungen zuvor bereits erheblich zum Sturz des damaligen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) beigetragen. Ihm wurde der Doktortitel inzwischen von der Universität Bayreuth aberkannt. Guttenberg gab Anfang März unter starkem öffentlichen Druck alle politischen Ämter auf.
Koch-Mehrin hatte ihre Arbeit „Historische Währungsunion zwischen Wirtschaft und Politik“ bei der Uni Heidelberg eingereicht und 2001 in einem renommierten Verlag veröffentlicht. Die FDP-Politikerin hat sich bislang nicht zu den Vorwürfen geäußert.
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte der Zeitung „Die Welt“ (Donnerstag): „Es ist nun an der Zeit, dass sich Frau Koch-Mehrin endlich zu den Vorwürfen äußert.“
Der Münchner Arbeitsrechtsprofessor Volker Rieble sagte dem Berliner „Tagesspiegel“ (Donnerstag): „Nach meiner Auffassung reicht es für den Titelentzug.“ Es gebe „doch eine ganze Reihe von Stellen, bei denen zitatlos abgeschrieben worden ist und der zitierte Text zitatpflichtig“ sei.
Zugleich kritisierte Rieble die Anonymität vieler „Jäger“. „Hier will niemand Verantwortung für die erhobenen Vorwürfe, für die Sorgfalt der Recherche tragen. Das begründet eine erhebliche Waffenungleichheit, bei der die Zielperson, hier Frau Koch-Mehrin, angegriffen wird, aber sich praktisch nicht verteidigen kann“.