Christian Lindner (FDP): Vom Bambi zum Platzhirschen
Christian Lindner avancierte vom Jungspund zum starken Mann der FDP — doch er fühlt sich immer noch zu jung für den Parteivorsitz.
Düsseldorf. Als Christian Lindner noch Bambi genannt wurde, galt er in Düsseldorf als große Nachwuchshoffnung der FDP — aber als zu jung. Das ist elf Jahre her. Dem Spitznamen ist er längst entwachsen. Jetzt ist er die Nachwuchshoffnung der FDP in Berlin. Und immer noch zu jung.
Kein deutscher Politiker hat so früh auf sich aufmerksam gemacht: Christian Lindner, in Wuppertal vor 32 Jahren geboren und in Wermelskirchen aufgewachsen, kommt im Jahr 2000 schon mit dem Nimbus eines Riesentalents in den nordrhein-westfälischen Landtag.
Er steht von Anfang an unter der Patronage des damaligen FDP-Landeschefs Jürgen Möllemann (der ihm den Spitznamen des Walt-Disney-Kitzes verlieh) und vor allem Guido Westerwelles. Der wird damals gerade zum starken Mann der Liberalen und versichert sich der Gefolgschaft vielversprechender junger Männer — wie Philipp Rösler, Daniel Bahr und eben Lindner.
Unter diesen Jungen ist Lindner der jüngste. Und er ist wohl der talentierteste, der sich im politischen Betrieb am wohlsten fühlt. So unterschiedliche Typen wie Gerhart Baum oder Gerhard Papke geraten geradezu ins Schwärmen, wenn sie über Lindner reden. „Das ist der Mann der Zukunft“, sind sich alle sicher.
Doch sieht das Lindner genauso? Er hätte jetzt FDP-Chef werden können, ohne Zweifel. Die Partei schätzt ihn noch weitaus mehr als Philipp Rösler. Wenn er bei Parteitagen oder im Bundestag ans Rednerpult geht, ist er seit langem die schärfste Waffe der FDP.
Immer ohne Manuskript, aber geschliffen in den Formulierungen, wirbt er für einen Liberalismus, der weit mehr ist als die immer gleichen Steuersenkungsforderungen, die Westerwelle ausmachten und ihn so zum Langweiler werden ließen. In den Talkshows lässt er die Andrea Nahles’, Markus Söders und Hermann Gröhes dieser Welt regelmäßig alt aussehen. Und doch ließ er nun Rösler den Vortritt. Weil er sich zu jung fühlte.
Rösler ist Lindners Freund, gemeinsam haben sie schon Nachdenkenswertes über die FDP publiziert. Die Vermutung liegt nahe, dass es eine Absprache zwischen beiden gibt. Immerhin hat der nun 38-jährige Rösler einst versprochen, sich mit 45 Jahren aus der Politik zurückzuziehen, weil er charakterliche Deformationen in politischen Spitzenämtern fürchtet. Macht er das wahr, wäre Lindner dann 39 Jahre — immer noch jung.
Aber zur Wahrheit gehört auch, dass Lindner sehr wohl um seine Defizite weiß. Dass er sein gesamtes Erwachsenenleben in der Politik verbracht hat, dass er sich - abgesehen von einem erfolglosen Versuch als Startup-Unternehmer - nur innerhalb der Käseglocke bewegt hat. Und dass es neben Talent und rascher Auffassungsgabe auch einer gehörigen Statur bedarf, um Chef einer Regierungspartei zu sein.
Lindner arbeitet daran. Das neue FDP-Parteiprogramm soll dabei sein Meisterstück werden. Als Generalsekretär will er ähnliche Parteigeschichte schreiben, wie es zuletzt Karl-Hermann Flach 1971 mit den Freiburger Thesen gelang. Damals wurde die Vision eines „sozialen Liberalismus“ geboren. In eine ähnliche Richtung denkt Lindner heute auch, will vor allem das harte Image des Neoliberalismus loswerden. Eine neue, sympathische FDP soll es sein, wenn es nach Lindner geht. Diese Aufgabe reizt ihn. Sie ist groß genug.