Linke kritisiert Mindestlohn-Ausnahmen per Amtsbescheinigung

Berlin (dpa) - Mehr als eine Million Langzeitarbeitslose könnten ab kommendem Jahr quasi per amtlicher Bescheinigung vom Mindestlohn ausgenommen werden.

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Das sagte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion der Linken, Sabine Zimmermann, der Deutschen Presse-Agentur unter Berufung auf Angaben des Bundessozialministeriums.

Der allgemeine, flächendeckende Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde greift ab 1. Januar. Um Langzeitarbeitslosen den Job-Einstieg zu erleichtern, kann bei ihnen in den ersten sechs Monaten vom Mindestlohn abgewichen werden, wenn sie ein Jahr arbeitslos waren.

Infolge dieser Ausnahme-Regel kam in der Fachwelt die Frage auf, inwieweit Langzeitarbeitslose gegenüber dem Arbeitgeber überhaupt ihren Status offenlegen müssen. Die wissenschaftlichen Dienste des Bundestags hatten in einem Gutachten festgestellt, dass viele Betroffene dies wohl freiwillig tun würden, um wieder eine Beschäftigung zu bekommen. „Soweit dies nicht der Fall ist, können sie nach geltender Rechtslage nicht dazu gezwungen werden“, stellten die Experten des Parlaments aber fest. Allerdings kämen bestimmte Möglichkeiten für eine konkrete Verpflichtung zur Offenlegung der Langzeitarbeitslosigkeit in Betracht.

Die Abgeordnete Zimmermann stellte dem Bundessozialministerium die Frage, welche Konsequenzen die Regierung aus dem Bundestags-Gutachten ziehen wolle. Auch vor dem Hintergrund dieses Gutachtens - so die Antwort - gehe die Regierung davon aus, dass die Ausnahmeregelung für Langzeitarbeitslose praktikabel umzusetzen sei. „Um den Sozialdatenschutz einzuhalten, wird nur der langzeitarbeitslosen Person eine entsprechende Bescheinigung ausgestellt oder bei einem konkreten Stellenangebot ein Einverständnis der langzeitarbeitslosen Person zur Datenübermittlung an den Arbeitgeber eingeholt.“

Zimmermann kritisierte: „Es ist mehr als zynisch, Menschen eine amtliche Bescheinigung auszustellen, dass sie vom Mindestlohn ausgenommen sind und ihren Datenschutz auszuhebeln.“ Erwerbslose dürften nicht als „Niedriglohnreserve“ missbraucht werden. „Die diskriminierende Ausnahmeregelung muss gekippt, die Betroffenen bei der Suche nach einer ordentlich entlohnten Arbeit unterstützt werden.“

Die Ausnahmeregelung könne über eine Million Langzeitarbeitslose betreffen, meinte Zimmermann. Die Politikerin befürchtet zudem einen Drehtüreffekt: Arbeitgeber könnten für Tätigkeiten mit kurzer Anlern- und Einarbeitungszeit auf Langzeitarbeitslose zurückgreifen, diesen keinen Mindestlohn zahlen - aber nach sechs Monaten kündigen.

Für die Betroffenen sei die Lage nicht einfach. „Viele Erwerbslose befinden sein in einer Zwangslage.“ Von einem freiwilligen Einverständnis zur Datenübermittlung an Arbeitgeber zu sprechen, sei deshalb unrealistisch.