Merkel: Deutsch-polnische Beziehungen „Erfolgsgeschichte“
Berlin/Warschau (dpa) - Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat ungeachtet aktueller Unstimmigkeiten die enge deutsch-polnische Verbundenheit hervorgehoben.
„Weil wir gute Nachbarn und sogar Freunde sind, ist das auch die Möglichkeit, wenn man einmal unterschiedlicher Meinung ist, Wege zu finden, sich darüber auszutauschen“, sagte Merkel vor einem Gespräch mit dem polnischen Präsidenten Andrzej Duda am Freitag in Berlin. Bundespräsident Joachim Gauck warnte am Abend bei einem Treffen mit Duda in Warschau vor einer Renationalisierung Europas.
Anlässlich des 25. Jahrestags des Nachbarschaftsvertrags beider Länder bezeichnete Merkel die Beziehungen als „eine wirkliche Erfolgsgeschichte“. Dies sei alles andere als selbstverständlich und mache sie dankbar und angesichts der Geschichte auch demütig.
Duda würdigte den Vertrag als Vorbild für andere Länder. Nach dem Zweiten Weltkrieg hätten sich die Bevölkerungen Deutschlands und Polens gegenseitig vergeben. Zugleich gebe es „wie in einer guten alten Ehe“ auch strittige Fragen. Wenn man füreinander Sympathie und eine wohlwollende Haltung habe und zusammenbleiben wolle, gelinge es aber, Lösungen zu finden. Deutschland und Polen seien ein „wichtiges Fundament für die Europäische Union“, die derzeit von Krisen geplagt sei. „Wichtig ist, dass wir diese Krisen gemeinsam bewerkstelligen, dass wir nach Lösungen suchen, die akzeptabel sind für alle.“
Zwischen Polen und Deutschland gibt es unter anderem Differenzen in der europäischen Flüchtlingspolitik. Die EU und die nationalkonservativen Warschauer Regierung streiten zudem über die Justizreform und die Medienpolitik in Polen. Darin sehen EU-Menschenrechtsexperten eine Erosion des Rechtsstaats.
Gauck forderte Polen und die anderen EU-Mitglieder zum raschen Handeln in der Flüchtlingskrise auf. „Wir müssen sofort handeln, jetzt“, sagte er am Abend bei einer Konferenz zur Zukunft Europas in Warschau. Dies habe in der Finanzkrise gegolten, „und wir erleben es jetzt in der Flüchtlingskrise“. Auch wenn einzelne Staaten unterschiedlich betroffen seien, „so sind solche Krisen eben nur gemeinsam zu bewältigen“, mahnte Gauck. „Wir alle sind also aufgerufen, daran im Rahmen unserer Möglichkeiten und unserer internationalen Verpflichtungen mitzuwirken.“
Indirekt und ohne die Differenzen Deutschlands und der EU mit der polnischen Regierung konkret anzusprechen warnte Gauck vor einer Renationalisierung. Zwar sei Europa auf einem sicheren Fundament gebaut. Dies sage aber „noch nichts darüber aus, wie es um die Hausordnung und um ihre Beachtung“ bestellt sei.
Vor 25 Jahren, am 17. Juni 1991, hatten Deutschland und Polen einen Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit unterzeichnet. Er gilt als Basis für Annäherung und Versöhnung nach dem Kalten Krieg.
Am Freitag nahm in Warschau eine deutsch-polnische Reflexionsgruppe zur Zukunft Europas die Arbeit auf. Duda sagte, es gehe darum, jene Herausforderungen zu erkennen, bei denen beide Länder strategisch zusammenarbeiten könnten. In der Arbeitsgruppe sitzen jeweils zwei Mitarbeiter der Regierungen, Wissenschaftler, Experten und Medienvertreter. Gauck sagte, in Zeiten, „wo die europäische Idee etwas ins Schwimmen gekommen ist“ sei es wichtig, über die Zukunft Europas „auf der Grundlage von Argumenten und nicht von Ressentiments“ zu diskutieren.