Merkel drängt Flüchtlinge zur Rückkehr nach Kriegsende
Neubrandenburg/Berlin (dpa) - Bundeskanzlerin Angela Merkel fordert von Flüchtlingen aus Syrien und dem Irak eine Rückkehr in die Heimat nach dem Ende der bewaffneten Konflikte.
Die Kanzlerin betonte beim Landesparteitag der CDU Mecklenburg-Vorpommerns in Neubrandenburg, der derzeit in Deutschland vorrangig gewährte Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention sei zunächst auf drei Jahre befristet. An die Adresse der Flüchtlinge sagte die CDU-Parteichefin: „Wir erwarten, dass, wenn wieder Frieden in Syrien ist und wenn der IS im Irak besiegt ist, dass Ihr auch wieder, mit dem Wissen, was Ihr jetzt bei uns bekommen habt, in Eure Heimat zurückgeht.“
Flüchtlingskoordinator Peter Altmaier (CDU) kündigte an, dass die Bundesregierung straffällig gewordene Flüchtlinge auch in Drittstaaten wie die Türkei abschieben will, wenn eine Rückkehr in die Herkunftsländer nicht möglich ist.
Die Kanzlerin hob am Samstag in Neubrandenburg hervor, es müsse den Betroffenen klar gemacht werden, dass es sich um einen temporären Aufenthaltsstatus handele. Dies gelte unabhängig von allen Integrationsleistungen. Merkel verwies darauf, dass nach dem Ende des Jugoslawien-Krieges in den 90er Jahren 70 Prozent der Flüchtlinge wieder in ihre Heimat gegangen seien.
Seit fast fünf Jahren herrscht Bürgerkrieg in Syrien, ein Ende der Gewalt ist nicht in Sicht. Friedensgespräche in Genf sollen den Weg für eine politische Lösung bahnen. Doch die Verhandlungen gelten als äußerst kompliziert. Zudem kontrolliert die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) trotz jüngster Gebietsverluste noch immer große Teile Syriens und des Iraks.
Kanzleramtsminister Altmaier sagte der „Bild am Sonntag“, etwa 50 000 Flüchtlinge hätten Deutschland seit Anfang 2015 wieder verlassen, entweder freiwillig oder per Abschiebung. „Viele kehren wieder um, bevor sie einen Asylantrag stellen, wenn ihnen klargemacht wird, dass das keine Aussicht auf Erfolg hat.“ Zur Abschiebung straffällig gewordener Flüchtlinge sagte der CDU-Politiker, diese sollten nicht in ihr Heimatland abgeschoben werden, wenn dort zum Beispiel Bürgerkrieg herrsche, sondern in das Land, über das sie in die EU gekommen seien.
Verhandlungen mit potenziellen Aufnahmestaaten wie der Türkei liefen bereits, sagte Altmaier. Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) warf Altmaier in diesem Zusammenhang eine „schleppende Umsetzung von längst in der Koalition getroffenen Vereinbarungen“ vor. „Dass das Kanzleramt erst jetzt über die Rücknahme von Kriminellen an Drittstaaten verhandelt, ist kein Zeichen von Hochgeschwindigkeit“, sagte der SPD-Chef dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
In der Praxis scheitern Abschiebungen oft an verschiedenen Dingen. Zum Teil weigern sich Herkunftsländer, jemanden wieder aufzunehmen und erkennen ihn nicht als ihren Staatsangehörigen an, weil bestimmte Dokumente fehlen. Zum Teil gibt es aber auch rechtliche Hürden: Es gilt zum Beispiel ein Abschiebeverbot, wenn dem Betroffenen im Heimatland Folter oder die Todesstrafe drohen. Außerdem darf niemand abgeschoben werden, wenn in der Heimat sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner „Rasse, Religion, Nationalität oder politischen Überzeugung“ bedroht ist.
Deutschland hatte 2015 mehr als eine Million Menschen aufgenommen, den Großteil davon aus Syrien. Die meisten reisten über die Türkei, Griechenland und die sogenannte Balkanroute ein. Um die Zahl der neu ankommenden Flüchtlinge zu reduzieren, setzt die Kanzlerin auf eine Bekämpfung der Fluchtursachen und eine engere Zusammenarbeit mit der Türkei zur Überwachung der EU-Außengrenzen. Zudem tritt sie für eine solidarische Verteilung der Menschen unter den EU-Mitgliedsstaaten ein, was jedoch auf Widerstand in vielen EU-Ländern stößt. In der Nacht auf Freitag hatten sich die Koalitionsspitzen zudem auf eine Verschärfung des Asylrechts geeinigt.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) stellte sich hinter Merkels europäischen Ansatz. Am Umgang mit der Flüchtlingskrise werde sich erweisen, „ob das europäische Projekt Bestand hat“, sagte er dem „Tagesspiegel“ (Sonntag). Merkel komme eine entscheidende Rolle zu. „Welcher ihrer Amtskollegen in der EU soll denn Europa zusammenhalten, wenn sie fällt? Da ist weit und breit niemand in Sicht. Deshalb bete ich jeden Tag dafür, dass die Bundeskanzlerin gesund bleibt.“