Missbrauchsbeauftragte zieht gemischte Bilanz

Berlin (dpa) - Die unabhängige Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Christine Bergmann, hat zum Abschluss ihrer Arbeit eine gemischte Bilanz gezogen und die Politik zum Handeln aufgerufen.

„Die schönsten Empfehlungen nutzen nichts, wenn sie nicht umgesetzt werden“, mahnte Bergmann bei ihrer letzten Pressekonferenz in dieser Funktion am Dienstag in Berlin. So gebe es nach wie vor Defizite bei Beratungen und Therapien für Opfer. Bergmann fordert einen Rechtsanspruch auf Beratung für die Betroffenen. Zudem seien die Missbrauchsfälle in vielen Institutionen noch nicht aufgearbeitet.

Bergmann scheidet zum Ende des Monats wie geplant aus dem Amt. Die Politik hat bereits signalisiert, die Stelle der unabhängigen Beauftragten und die telefonische Hotline, an die sich Opfer ebenfalls wenden können, weiterführen zu wollen. Das Kernteam arbeite nahtlos weiter, sagte Bergmann zu Befürchtungen, die Arbeit könne nach ihrem Weggang am 31. Oktober liegenbleiben. Wer Bergmanns Nachfolge antritt, war auch am Dienstag noch offen. Ein Sprecher des Bundesfamilienministeriums erklärte, dass die künftigen Aufgaben und Strukturen erst noch am Runden Tisch besprochen werden müssten.

Bergmann hatte bereits im Mai ihren Abschlussbericht vorgelegt, in dem ihre Empfehlungen für den Runden Tisch zur Aufarbeitung des Kindesmissbrauchs zusammengefasst sind. Dazu gehören Vorschläge zur Übernahme von Therapiekosten und zur Zahlung von Entschädigungen. Der Runde Tisch tagt im November wieder. Welche Empfehlungen letztlich umgesetzt werden, entscheidet vor allem die Politik.

Die Bundesregierung hatte die Beauftragte und den Runden Tisch im Frühjahr 2010 eingesetzt, nachdem immer mehr Missbrauchsfälle aus der Vergangenheit in kirchlichen Einrichtungen, Schulen und Heimen bekanntgeworden waren. Insgesamt gingen mehr als 22 000 Anrufe, Briefe und E-Mails - zumeist von Opfern - bei Bergmann und ihren Mitarbeitern ein. Auf dieser Basis gab Bergmann ihre Empfehlungen.

Ein großes offenes Thema ist nach ihren Worten die Reform des Opferentschädigungsgesetzes. Bislang können Opfer aus den alten Ländern nur Leistungen beantragen, wenn der Missbrauch frühestens 1976 begann - in den neuen Bundesländern frühestens 1990. Nur in Härtefällen gilt das Gesetz auch für weiter zurückliegende Fälle. Bergmann regte an, dies zu ändern - viel getan habe sich hier aber nicht.

Das Thema Entschädigungen bleibt heikel. Nach Bergmanns Empfehlung sollen Opfer von Missbrauch in Institutionen eine Wiedergutmachung erhalten. Diese soll sich an der Höhe des Schmerzensgeldes orientieren, das die Opfer bekommen hätten, wenn sie früher vor Gericht gezogen wären. Hier erwarte sie noch sehr viel präzisere Vorschläge des Runden Tisches, kritisierte Bergmann.

Bergmann schlug auch vor, den Opfern bei der Finanzierung von Therapien zu helfen - vorausgesetzt, es kommt kein anderer Träger dafür auf. Grundsätzlich sollen die Institutionen die Kosten ihrer Opfer übernehmen. Bund und Länder sollen für die Therapiekosten von Opfern sexuellen Missbrauchs in Familien aufkommen. Bergmann begrüßte, dass es dazu konkrete Vorschläge des Runden Tisches gebe.