Nahles im Mindestlohn-Streit nicht zum Einlenken bereit

Berlin (dpa) - Die Kritik am Mindestlohn reißt nicht ab. Nach der ersten Lesung im Bundestag kommen erneut Bedenken vom Wirtschaftsflügel der Union und aus der Wirtschaft. Arbeitsministerin Andrea Nahles hält dagegen: Sie will die „Generation Praktikum“ beenden.

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„Ich kann nur davor warnen, darauf zu wetten, dass die politische Verabredung für irgendeine Branche am Ende nicht gilt“, sagte die SPD-Politikerin der „Welt am Sonntag“. Mindestlohn-Kritiker in der Unionsfraktion machen weiter gegen den Gesetzentwurf mobil und fordern deutlich mehr Ausnahmen.

Der Bundestag hatte sich am vergangenen Donnerstag zum ersten Mal mit dem Gesetz befasst. Es soll noch vor der Sommerpause verabschiedet werden. Der Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde soll dann vom kommenden Januar an für alle ab 18 Jahren gelten. Ausnahmen gibt es bis 2017 für Branchen mit einem überregional gültigen Tarifvertrag. Prinzipiell ausgenommen sind Pflichtpraktikanten und ehemalige Langzeitarbeitslose für die ersten sechs Monate im neuen Job.

Nahles gab sich überzeugt: „Ab 1. Januar 2017 gilt für alle Branchen und für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein Mindestlohn von 8,50 Euro.“ Sie sei nicht bereit, über diese Grundfrage zu verhandeln. Im Bundestag geht Nahles „von einer großen Mehrheit“ für das Gesetz aus.

Aus der Unionsfraktion kommt indes harsche Kritik. Das Vorhaben widerspreche „Geist und Buchstaben des Koalitionsvertrags“, sagte der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses im Bundestag, Peter Ramsauer (CSU), der „Welt am Sonntag“. Er forderte, Rentner, Praktikanten, studentische Hilfskräfte und Zeitungsausträger vom Mindestlohn auszunehmen.

Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs (CDU) will außerdem Ausnahmen für Saisonarbeiter und Erntehelfer. Er halte es auch für falsch, den Mindestlohn mit 18 Jahren beginnen zu lassen. „Ich bin nicht bereit, den Entwurf von Frau Nahles einfach abzunicken“, erklärte Fuchs in der „Welt am Sonntag“.

Die SPD-Ministerin hält dagegen, sie werde das Modell der „Generation Praktikum“ beenden. Wer eine Ausbildung oder ein Studium absolviert habe, werde „nicht mehr monatelang für lau ausgenutzt werden“.

Auch die Altersgrenze - 18 Jahre - sieht sie mit Volljährigkeit und Jugendarbeitsschutz gut begründet. Nahles sagte, sie wolle „keine Hintertürchen für neue Geschäftsmodelle aufmachen“. „Bei einer Grenze von 21 Jahren oder mehr würden doch Regaleinräumer in den Supermärkten oder Mitarbeiter von Callcentern plötzlich nur noch einer ganz bestimmten Altersgruppe angehören.“

Der CDU-Sozialflügel unterstützt die Pläne. „Wenn mehr als ein Fünftel der Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor arbeiten, ist ein allgemeiner Mindestlohn unbedingt notwendig“, sagte der Bundesvize der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Christian Bäumler, „Handelsblatt Online“.

Der CDA-Vize wies darauf hin, dass die Union im Koalitionsvertrag tarifliche Übergangsfristen bis 2017 durchgesetzt habe. „Wer Nachverhandlungen zum Mindestlohn fordert, setzt Verhandlungserfolge der Unionsparteien aufs Spiel und muss sich dann auch mit Diskussionen über andere Bestandteile des Koalitionsvertrags wie das Nein zu Steuererhöhungen auseinandersetzen“, warnte Bäumler.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sieht das gänzlich anders: „Wir brauchen Ausnahmeregelungen, um mit dem Mindestlohn nicht zu viel Unheil anzurichten“, bekräftigte BDI-Präsident Ulrich Grillo in der „Rheinischen Post“ (Samstag). „Die Praktika für junge Leute müssen für die Unternehmen bezahlbar bleiben, sonst erschweren wir dieser Generation den Einstieg in einen qualifizierten Beruf.“ Auch die Altersgrenze 18 Jahre hält Grillo weiterhin für zu niedrig.