Neue Hürden für den Fiskalpakt

Regierung und Opposition einigen sich auf den Euro-Rettungsschirm. Doch eine Klage der Linken verzögert den Start.

Berlin. Ausgerechnet Katja Kipping lässt weißen Rauch aufsteigen. Die neue Linke-Chefin verkündet vor dem Bundeskanzleramt in Berlin als erste, dass sich Union und FDP mit SPD und Grünen über die Bedingungen für ein Ja zum Fiskalpakt geeinigt hätten. Ihre Partei stellt sich aber weiterhin quer und will gegen das Euro-Rettungsprogramm vor dem Bundesverfassungsgericht klagen.

Und genau aus diesem Grund dämpfen die Karlsruher Richter wenig später die Freude in Berlin: Das Bundesverfassungsgericht bittet Bundespräsident Joachim Gauck, wegen der erwarteten Klagen gegen Fiskalpakt und dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM die Ende Juni zur Abstimmung stehenden Gesetze vorerst nicht zu unterschreiben. Gauck sichert dies zu. Damit kann der ESM nicht am 1. Juli starten.

Das „starke Signal aus Deutschland“ ist somit wenige Stunden nach dem weißen Rauch schon wieder verpufft, zum EU-Gipfel Ende Juni reist Kanzlerin Angela Merkel alles andere als gestärkt. Und es könnte zu neuen Turbulenzen an den Märkten kommen, weil diese 500-Milliarden-Brandmauer vorerst fehlt. Der Euro fiel nach Bekanntwerden der Verzögerung beim Euro-Rettungsschirm ESM unter 1,26 Dollar.

Merkel ist also längst nicht — wie erhofft — vor der Sommerpause durch mit dem Paket. Und unabhängig von Karlsruhe sind auch die Länder beim Fiskalpakt weiter störrisch, am Sonntag soll es hier eine Einigung geben, hofft die Regierung.

Die Länder fordern Garantien und ein milliardenschweres Entgegenkommen des Bundes bei Sozialausgaben, da der Pakt sie mittelfristig durch strenge Schuldenfesseln komplett der Handlungsfähigkeit berauben könnte. Unabhängig von all diesen Unwägbarkeiten folgte nach dem Kompromiss im Kanzleramt die „Stunde der Deutungen“ des mühsam ausgehandelten Pakets.

Die Partei- und Fraktionsspitzen von SPD und Grünen präsentieren sich als eigentliche Sieger, die Schwarz-Gelb Zugeständnisse abgerungen und Merkel beim Euro-Krisenmanagement endlich zur Abkehr von einem reinen Sparkurs gezwungen hätten. Die nach dem Politpoker erleichterten Koalitionäre reagieren hingegen nüchtern. Für laute Freude sei die Lage zu ernst, so Unions-Fraktionschef Volker Kauder.

In den acht Wochen, in denen im Kanzleramt um Bedingungen für eine Zustimmung zum Fiskalpakt gerungen wurde, hat sich das Drama in der Euro-Zone rasant verschärft. Das weiß auch SPD-Chef Sigmar Gabriel, der nach der Einigung von einem Zwischenschritt spricht, der den Krisenmanagern ein wenig Zeit verschaffen könnte.

Er rechnet mit einem dramatischen Sommer. Zumindest dürfte sich nun das Verhältnis zwischen Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande etwas entspannen, weil der Berliner Kompromiss auf seiner Linie liegt.