Neues NPD-Verbotsverfahren? Innenminister uneins

Berlin (dpa) - Acht Jahre nach dem gescheiterten Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme NPD will Sachsen-Anhalt einen neuen Anlauf starten. „Wir werden das Verfahren mit der gebotenen juristischen Sorgfalt vorantreiben“, sagte Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) der „Mitteldeutschen Zeitung“.

Bei den Landesinnenministern fand er damit nach einer Umfrage der Nachrichtenagentur dpa ein unterschiedliches Echo - unabhängig von der Parteizugehörigkeit. Der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Wolfgang Bosbach (CDU), riet von einem neuen Verfahren ab.

Auch Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) äußerte sich skeptisch und verwies auf die hohen Hürden, die das Verfassungsrichter in Karlsruhe an ein Parteiverbot knüpfen.

Einen Verbotsantrag können beim Bundesverfassungsgericht nur Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung stellen. Die Positionen zu den Erfolgsaussichten sind aber sehr unterschiedlich: Viele Politiker fürchten ein Scheitern. Manche verfolgen eher das Ziel, die NPD von der staatlichen Parteienfinanzierung abzuschneiden. Der erste Anlauf zu einem Verbot war 2003 gestoppt worden, weil die Rolle von V-Leuten des Verfassungsschutzes in NPD-Führungsgremien unklar war.

Friedrich sagte in der „Mitteldeutschen Zeitung“ (Mittwoch), ein neues Verfahren habe nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn die Beobachtung der Partei mit nachrichtendienstlichen Mitteln bereits vor den Verbotsanträgen eingestellt würde. „Dies birgt erhebliche Risiken in sich.“ In keinem Fall dürfe am Ende eines neuen Verbotsverfahrens eine zweite Niederlage vor dem Bundesverfassungsgericht stehen. „Dies würde der NPD in die Hände spielen und ihr nur mediale Aufmerksamkeit verschaffen. Der Verbotsantrag kann erst gestellt werden, wenn ein Erfolg sichergestellt werden kann.“

Auch Bosbach sagte, die Risiken seien erheblich. „Wir müssten die V-Leute aus der NPD abziehen. Und wir befänden uns dann bei der Beobachtung der Partei für eine längere Zeit im Blindflug.“ Dass die NPD verfassungsfeindlich sei, sei offensichtlich. Um sie verbieten zu können, müsse aber auch der Nachweis geführt werden, dass sie aggressiv-kämpferisch gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung vorgehe.

Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) erklärte, es gebe derzeit keine neuen Erkenntnisse und Anhaltspunkte, die Hoffnung für ein erfolgreiches Verbotsverfahren machten. Auch Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) warnte davor, leichtfertig ein neues Verbotsverfahren einzuleiten. „Jedes Scheitern vor dem Bundesverfassungsgericht würde die NPD nur unnötig aufwerten“, sagte er. NRW werde einen Verbotsantrag aber unterstützen, wenn ein Verfahren eine realistische Chance auf Erfolg habe.

Sachsen und Baden-Württemberg sehen ein erneutes Verbotsverfahren ebenfalls skeptisch. Auch Brandenburgs Innenminister Dietmar Woidke (SPD) sagte, solange die geringste Chance bestehe, dass ein Verbotsantrag scheitern könne, solle Abstand genommen werden.

Dagegen unterstützt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) den Vorstoß Sachsen-Anhalts. „Ich werde mit meinem Amtskollegen zusammenarbeiten, um die Grundlagen vorzubereiten. Die NPD gehört verboten“, erklärte Herrmann. Nach Überzeugung von Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) belegen vorliegende Materialien zur NPD klar, dass sie die Demokratie abschaffen wolle und „ideologisch den Nationalsozialismus der NSDAP“ vertrete.

Aus dem CDU-geführten Innenministerium in Thüringen hieß es: „Wir begrüßen diesen Vorstoß.“ Auch der rheinland-pfälzische Innenminister Karl Peter Bruch (SPD) steht dem Vorhaben offen gegenüber. Jedoch betonte ein Sprecher: „Es ergibt nur Sinn, wenn Bund und alle Länder gemeinsam diesen Weg beschreiten.“ Unterstützung kam auch vom rot-roten Berliner Senat und dem SPD-Innenministerium in Bremen.

Der Berliner Verfassungsrechtlers Christian Pestalozza sagte der Nachrichtenagentur dpa: „Schlecht ist, wenn man ein Verfahren einleitet und man hat keinen Erfolg, wenn sich herausstellt, dass die Materialien nicht ausreichen.“ Ob das Material im konkreten Fall für ein Verbot der NPD ausreicht, vermochte er aber nicht zu sagen.

Unterdessen wurde bekannt, dass die NPD das Jahr 2009 mit fast zwei Millionen Schulden abgeschlossen hat. Das geht aus einem Bericht von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hervor, aus dem der Bundestags-Pressedienst zitierte. Demnach betrugen die Einnahmen fast 3,2 Millionen Euro, darunter fast 1,19 Millionen staatliche Mittel. Die Gesamtausgaben beliefen sich auf mehr als fünf Millionen Euro.