Streit um Tatwaffe NSU-Prozess: Verteidigerin fordert Freispruch für Wohlleben
München (dpa) - In einem verbalen Rundumschlag haben die Verteidiger des mutmaßlichen Terrorhelfers Ralf Wohlleben dem NSU-Prozess die Rechtsstaatlichkeit abgesprochen und einen Freispruch für ihren Mandanten gefordert.
Die Anwälte Nicole Schneiders und Olaf Klemke attackierten zu Beginn ihres Plädoyers am Dienstag das Münchner Oberlandesgericht und die Bundesanwaltschaft aufs Schärfste. Sie warfen dem Gericht klare Befangenheit, mangelndes Interesse an der Wahrheit und die aktive Verhinderung umfassender Aufklärung vor.
Schneiders, die ebenso wie ihr Mandant Wohlleben einst NPD-Mitglied war, argumentierte, die Beweislage reiche für eine Verurteilung nicht aus. Überdies sei Wohlleben unschuldig. Sollten die Richter ihn dennoch verurteilen, versündigten sie sich nicht nur an ihrem Richtereid, sondern auch an ihrem Gewissen, sagte Schneiders. Dafür müssten sie sich dann „vor dem Richterstuhl des Ewigen verantworten“.
Wohlleben ist neben Beate Zschäpe einer von fünf Angeklagten im NSU-Prozess. Die Bundesanwaltschaft hat zwölf Jahre Haft für den heute 43-Jährigen gefordert. Sie wirft ihm vor, die Mordwaffe „Ceska“ für den „Nationalsozialistischen Untergrund“ beschafft zu haben. Damit sollen die mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt neun Menschen ausländischer Herkunft ermordet haben.
Davon habe Wohlleben nichts gewusst, meinte Schneiders. „Ralf Wohlleben war kein Ausländerhasser.“ Das Verfahren sei ein „Politikum“, es sei „nicht rechtsstaatlich und vor allem nicht fair“. Wohlleben, der „böse Nazi“, solle „unter Aufgabe rechtsstaatlicher Grundsätze das Bauernopfer werden“. Anträge der Verteidigung seien reihenweise abgelehnt worden, „vielleicht damit sich das Urteil nachher schneller schreiben lässt“.
Schneiders sagte: „An der Wahrheitsfindung hatten Sie, hoher Senat, kaum Interesse.“ Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl sehe sich durch den hohen Erwartungsdruck von außen bedrängt, ein Urteil zu fällen, „das politisch gewollt ist“, so Schneiders. „Sie meinen, Sie seien nicht befangen? Befangener geht’s doch gar nicht.“
Kategorisch verweigert habe das Gericht die Prüfung der Frage, ob sich die NSU-Terroristen ihre „Ceska“ auf anderen Wegen beschafft hätten. Alle Beweisanträge dazu seien abgelehnt worden. Schneiders beantragte deshalb nun erneut, ein Mitglied der früheren Neonazi- und Kriminellenszene in Jena zu vernehmen, von dem zu vermuten sei, dass er einst eine baugleiche Waffe an Böhnhardt übergeben habe.
Schneiders Kollege Klemke hielt dem Gericht vor, das Urteil in wesentlichen Teilen längst geschrieben zu haben - bis aufs Strafmaß vielleicht. Unter den von der Anklage geforderten zwölf Jahren „werden Sie es wohl kaum machen wollen - wir sind ja schließlich in Bayern“. Oder vielleicht doch 13 Jahre „wegen der damit verbundenen Lobpreisungen der rot-grünen sogenannten Qualitätsmedien?“ In diesem Fall würde die „politisch korrekte Journaille Ihnen sicher gern attestieren, das Gericht habe ein Zeichen gegen Rechts gesetzt“. Andernfalls riskiere das Gericht, als Teil des „institutionellen Rassismus“ geschmäht zu werden - der wiederum sei Teil eines „allfälligen Schuldkults, der das deutsche Volk konditionieren soll“. Das Plädoyer der Anwälte soll an diesem Mittwoch weitergehen.
Hauptangeklagte im NSU-Prozess ist Beate Zschäpe, die fast 14 Jahre mit Böhnhardt und Uwe Mundlos im Untergrund lebte. Für Zschäpe hat die Bundesanwaltschaft lebenslange Haft beantragt, während ihre beiden Wunschverteidiger höchstens zehn Jahre für angemessen halten. Zu den Verbrechen des NSU gehören neun fremdenfeindliche Morde an Zuwanderern und die Ermordung einer Polizistin in Heilbronn.