Politik und Corona Parteien in der Corona-Krise: Hetzen ist gerade nicht in Mode
Berlin · In der Corona-Krise kommen Ideologien an ihre Grenzen und es werden neue Antworten werden gesucht. Auch in der AfD.
Die Position der AfD zu den Maßnahmen gegen die Corona-Krise ist klar: Nicht Ja, nicht Nein. Sondern Enthaltung. So stimmte die Bundestagsfraktion letzte Woche ab, als es um die Aufnahme von 156 Milliarden Euro neuer Schulden für die Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen ging.
Die Partei wirkt desorientiert und hat dafür mit einem Sturz um – je nach Meinungsforschungsinstitut – bis zu vier Prozentpunkte auf zwischen neun bis zwölf Prozent im März bereits eine Quittung bekommen. Ihr Hauptthema, die Ablehnung von Flüchtlingen und des Islam, spielt derzeit praktisch keine Rolle mehr. Querverweise wirken eher krampfhaft. So erklärte der Ehrenvorsitzende Alexander Gauland im Bundestag unter Hinweis auf die Grenzschließungen: „Man kann also die Grenzen schützen. Und wir werden die Bundesregierung bei Gelegenheit daran erinnern.“ Freilich, diese Art von Grenzschließungen, die mit totaler Einschränkung der eigenen Reisefreiheit verbunden ist, goutiert kaum ein Bürger.
Und auch die unterschwelligen Botschaften kommen nicht mehr an. Etwa die Ablehnung der „Altparteien“. Gerade ist starkes Regierungshandeln gefragt; die CDU schießt in den Umfragen nach oben. Auch der Kampf gegen die „Lügenpresse“ und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk hat sich einstweilen erledigt. Verlässliche Informationen sind jetzt das A und O, und die gibt es nicht in den sozialen Medien. Dass AfD-Abgeordnete wie der Niedersachse Armin-Paul Hampel Corona immer noch als „verhältnismäßig leichte Grippe“ einstufen, ist auch nicht gerade hilfreich.
Die Angst plötzlich „Systempartei“ zu sein
Im Bundestag schob die AfD als Begründung für ihre Enthaltung gegen alle Hilfsgesetze vor, dass die Mehrheit ihrem Antrag, den Pandemiefall auf einen Monat zu begrenzen, nicht zugestimmt hatte. In Wahrheit steckte dahinter die Angst, bei einem „Ja“ als „Systempartei“ zu gelten. Und inhaltliche Unklarheit. So gibt es in der AfD einen neoliberalen Flügel, der den Staat zurückstutzen will und auf private Verantwortung setzt. Und einen anderen, der genau das Gegenteil beabsichtigt und den „solidarischen Patriotismus“ predigt, einen ausgeweiteten Sozialstaat - allerdings nur für Bio-Deutsche. Beide Strömungen wollten ihren fundamentalen Streit am Beispiel der Rentenpolitik eigentlich schon lange auf einem Parteitag klären. Der fällt Corona-bedingt nun erneut aus.
„Die Ideologie eines impotenten Zwergstaates hat dem Bürger im Ernstfall weder Schutz noch Hilfe zu bieten“, schrieb etwa der Thüringer AfD-Politiker und Anhänger des Höcke-Flügels, Jürgen Pohl, und lobte die Rettungspakete der großen Koalition. Dagegen warnte Fraktionschefin Alice Weidel vor einer „Quasi-Staatswirtschaft“. Was sie nicht daran hinderte, vor zehn Tagen in einem „Fünf-Punkte-Sofortprogramm“ teils noch umfangreichere Rettungspakete zu fordern, als sie die Regierung vorlegte. Die AfD verlässt sich weiterhin sehr darauf, dass ihre Widersprüche von den Anhängern nicht wahrgenommen werden.
Geblieben sind die Unflätigkeiten gegenüber politischen Gegnern. So twitterte Weidel unter dem hämischen Hashtag „Fridays for Feldarbeit“, Studenten und Schüler könnten jetzt bei der Ernte helfen, statt gegen die Klimakrise zu protestieren. Der Vorsitzende Jörg Meuthen wetterte gegen „Genderwissenschaften“, für die zu viel Geld ausgegeben werde, was im Gesundheitswesen fehlte. Und einzelne AfD-Politiker sonderten im Netz giftige Kommentare zu Angela Merkels Quarantäne ab. Etwa: „Hinter Gittern wäre besser“. Immerhin: Dass das gleich wieder gelöscht wurde, zeigt, dass allzu primitive Hetze gerade nicht Mode ist.