Piraten wollen NRW entern

Eine Landespartei ohne Programm und Geschäftsstelle wird hoch gehandelt. Doch sie will nur lernen.

Düsseldorf. Nur sehr wenige kennen sie, doch immer mehr sympathisieren mit ihr: Die Piratenpartei ist seit der Berlin-Wahl der politische Aufsteiger des Jahres und gleichzeitig die große Unbekannte unter den Parteien.

Auch in Nordrhein-Westfalen schaffte sie in den jüngsten Umfragen den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde und würde damit die Verhältnisse zum Tanzen bringen. Doch wer sind diese Piraten?

„Wir sind ganz normale Leute, die sich für Politik interessieren, aber mit den bestehenden Parteien nicht so zufrieden sind“, sagt Michele Marsching.

Der 33-Jährige zählt sich schon zur zweiten Generation in der Partei. „Ich bin ja schon seit 2009 dabei. Jetzt kommen ganz neue Leute.“ Marsching muss es wissen, schließlich ist er Landesvorsitzender der Partei. Und erlebt einen beispiellosen Boom.

Denn für ihn gibt es eine Zeit vor und eine Zeit nach Berlin. Vor Berlin waren die Piraten eher was für die Jünger der Internetgemeinde: männlich, mit dem Computer aufgewachsen, für einen freien Datenverkehr.

Doch seit Berlin ist alles anders. „Wir hatten gestern einen Stammtisch. Da saßen ein Mechaniker, ein Arzt und ein Polizist. Und bei den Versammlungen liegt der Frauenanteil bei sicherlich 30 Prozent“, so Marsching.

Binnen eines Jahres hat die Partei fast 1000 neue Mitglieder in NRW gewonnen, der Landesverband zählt nun 2550 Köpfe. Das ist immer noch deutlich weniger als etwa bei FDP, Grünen oder Linkspartei, aber die Tendenz ist hier im Gegensatz zu den anderen eindeutig positiv.

Doch bislang lebt die Partei von der Stimmung, nicht von den Inhalten. „Uns fehlt ein Grundsatzprogramm“, räumt Marsching ein. Eine Ein-Themen-Partei sei man gleichwohl nicht. „Beim letzten Landtagswahlkampf haben wir auf 53 Seiten aufgeschrieben, was wir wollen.“ Darauf lasse sich aufbauen.

Eine Parteizentrale gibt es nicht, neben den E-Mail-Anschriften gibt es bisher nur eine Postlager-Adresse.

In den zentralen Fragen der Landespolitik sind die Vorstellungen gleichwohl eher diffus. Beispiel Bildung: „Wir tragen den Schulkonsens, den SPD, Grüne und CDU geschlossen haben, mit. Wir haben aber unsere eigenen Vorstellungen“, so Marsching.

Die seien „auf jeden Fall mehr integrativ“, sehen keine Noten, sondern nur noch Bildungsbescheinigungen vor. Beim Thema Finanzen bleibt es bei Allgemeinplätzen: „Nicht mehr ausgeben als man hat.“

Dass dies wohl nicht ausreicht, als Vollprogrammpartei rüberzukommen, weiß auch der Landeschef. Doch sein Ansatz ist erst einmal: „Wir haben die Fragen, Ihr habt die Antworten.“ Das war ein Piraten-Slogan für die Berlin-Wahl. Dort hat es ja bekanntlich gereicht.