Reichlich freie Lehrstellen - aber viele unversorgte Bewerber
Berlin (dpa) - Kurz vor Beginn des neuen Ausbildungsjahres meldet die Bundesagentur für Arbeit bundesweit noch mehr als 146 000 freie Lehrstellen. Doch gleichzeitig sind über 200 000 junge Menschen auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz - über 40 000 davon bereits seit mehr als einem Jahr.
Häufig passen die Wünsche der Betriebe und die Schulabschlüsse der Jugendlichen nicht zusammen. Insgesamt zeichne sich für diesen Herbst auf dem Lehrstellenmarkt eine etwas ungünstigere Entwicklung ab als in den beiden Vorjahren, heißt es in einer aktuellen Analyse der Bundesagentur.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) spricht von über 100 000 freien Plätzen. Die Vermittlungsbörsen des Handwerks melden noch 22 300 Ausbildungsplatzangebote. In den beiden Bereichen werden fast 90 Prozent der Lehrverträge abgeschlossen.
Bei den Arbeitsagenturen waren Ende Juli bundesweit über 157 000 Lehrstellenbewerber als noch „unversorgt“ registriert. Hinzu kommen weitere knapp 46 000, denen zwar eine Alternative angeboten werden konnte - meist weiterer Schulbesuch oder Erwerbsarbeit. Jedoch haben diese Jugendlichen ihren Vermittlungswunsch in eine betriebliche Lehre zunächst aufrecht erhalten.
Handwerkspräsident Otto Kentzler appellierte an die Betriebe, auch jungen Menschen mit ausländischen Wurzeln die Chance für eine qualifizierte Ausbildung im Handwerk zu geben. „Der Meister der Zukunft ist ein Türke“, sagte Kentzler der Nachrichtenagentur dpa.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) forderte mehr Chancen für Haupt- und Realschüler bei der Lehrstellenvermittlung. Fast die Hälfte aller Ausbildungsberufe bleibe jungen Hauptschülern heute faktisch verschlossen, sagte DGB-Vize Elke Hannack der dpa. „Die Unternehmen müssen diesen jungen Menschen endlich die Chance auf eine Ausbildung geben, notfalls auch durch eine verlängerte Ausbildung.“
Die Grünen warfen Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) Untätigkeit vor. Die Lage auf dem Ausbildungsmarkt trübe sich wieder ein. Deutlich mehr Bewerber als angebotene Ausbildungsplätze müssten die Bundesregierung in Alarmstimmung versetzen, sagte der Bildungssprecher der Grünen, Kai Gehring. Wanka müsse auf Länder, Sozialpartner und Kammern zugehen, um das duale System krisenfester und attraktiver zu machen. Deutschland könne es sich nicht länger leisten, dass rund 2,2 Millionen Menschen zwischen 20 und 35 Jahren keinen Ausbildungs- oder Schulabschluss haben.
Die Bundesagentur verweist in ihrem Bericht auf erhebliche branchenspezifische und regionale Probleme. Gut ausgeglichen sind Angebot und Nachfrage in Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern, wo auf 100 Bewerber 130 Stellenangebote kommen. In Bayern sind dies 120, in Thüringen 115 und in Baden-Württemberg 110. Das Verfassungsgericht hat in einem Urteil die Angebotssituation dann als ausgeglichen bezeichnet, wenn auf 100 Bewerber 112,5 Angebote kommen. Problematisch ist die Lage vor allem in Berlin, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Niedersachsen, wo es deutlich mehr Bewerber als Plätze gibt.
Das neue Ausbildungsjahr beginnt regional unterschiedlich zwischen dem 1. August und dem 1. September. Am 30. September wird nach dem Gesetz bundesweit Bilanz gezogen.