Richter stärken Joachim Gauck

Karlsruhe verhängt keinen Maulkorb gegen den Bundespräsidenten. Er darf NPD-Anhänger „Spinner“ nennen.

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Karlsruhe. Joachim Gauck war zwar nicht anwesend bei der Urteilsverkündung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe. Doch Staatssekretär David Gill freute sich sichtlich, als er zu einem Telefonat mit seinem Chef eilte. Das verwundert nicht, denn zuvor hatte das Gericht dem Staatsoberhaupt große Freiheiten bei der Wahl seiner Worte eingeräumt. Zusammen mit einem weiteren Urteil stellten sich die Richter insgesamt schützend vor das Amt des Staatsoberhauptes und hoben dessen „Würde“ hervor.

Bei seiner Wortwahl hat der erste Mann im Staat sehr viel Spielraum, wie die Richter grundsätzlich klarstellten: Der Bundespräsident könne „weitgehend frei darüber entscheiden, bei welcher Gelegenheit und in welcher Form er sich äußert“, hieß es in dem Urteil. „Er ist insbesondere nicht gehindert, sein Anliegen auch in zugespitzter Wortwahl vorzubringen.“

Die Richter wiesen daher die Klage der rechtsextremen NPD ab, die sich durch Äußerungen Gaucks vor Schülern in ihren Rechten verletzt sah. In Berlin-Hellersdorf hatte es wochenlange fremdenfeindliche und von der NPD unterstützte Proteste gegen ein Asylbewerberheim gegeben. Gauck wollte Gegendemonstrationen unterstützen und sprach über NPD-Anhänger in diesem Zusammenhang als besagte „Spinner“.

Das Urteil ist somit wichtig für Gauck. Er ließ durch seinen Staatssekretär ausrichten, er sei sehr „dankbar“ für das Urteil.

Der Richterspruch ist aber auch wichtig für alle künftigen Bundespräsidenten. Denn, so ließ Gauck in der mündlichen Verhandlung des Gerichts im Februar ebenfalls ausrichten: „Der Bundespräsident spricht durch das Wort.“ Er ist das einzige Verfassungsorgan, das aus einer Person besteht. Seine Machtbefugnisse sind begrenzt — er wirkt vor allem mit seinen Worten integrierend, moderierend und motivierend auf die Gesellschaft ein.

Das sahen auch die Richter so, die in einem zweiten Urteil den Versuch von NPD-Chef Udo Pastörs unterbanden, bei der Wahl eines Bundespräsidenten eine würdelose Kandidatenkür zu etablieren. Pastörs und zwei später beigetretene Mitstreiter waren gegen die Verfahren zur Wiederwahl von Bundespräsident Horst Köhler 2009 und der Wahl von Christian Wulff 2010 vorgegangen.

Die Richter wählten pathetische Worte: Die Wahl des Bundespräsidenten offenbare sich als „ein eigentümlicher, demokratisch veredelter Rückgriff auf das Erbe der konstitutionellen Monarchie, der vom Verfassungsgeber so gewollt war und der der Bundesrepublik letztendlich guttat“, sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle. Die Würde eines solchen Amtes verträgt sich nicht mit einer Personaldebatte bei der Wahl. Denn der Präsident, so heißt es wörtlich, „verkörpert die Einheit des Staates“.