Rot-Grün in Berlin gescheitert

Berlin (dpa) - Das geplante rot-grüne Regierungsprojekt in Berlin ist schon vor dem Start gescheitert: Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und seine SPD ließen die Koalitionsverhandlungen mit den Grünen platzen - bereits nach einer guten Stunde.

Hauptgrund waren die unüberbrückbaren Meinungsverschiedenheiten zur Verlängerung der Stadtautobahn A100. Nun will die SPD mit der CDU über eine Koalition verhandeln. Das beschloss der Landesvorstand am Abend einstimmig.

Wowereit begründete das Ende der Verhandlungen mit dem seit langem andauernden Streit um die Stadtautobahn. „Bei dem Thema A100 sind die Positionen offenbar nicht in Einklang zu bringen“, sagte er. „An so einer Frage macht sich auch aus, ob sie über fünf Jahre auch bei neuen Themen eine Übereinkunft finden.“

Die Grünen vermuteten, die Autobahn sei nur vorgeschoben. In Wirklichkeit könne sich Wowereit bei der knappen Mehrheit von Rot-Grün im Landesparlament nicht auf seine eigenen Leute verlassen.

Rot-Grün hätte mit zusammen 76 Mandaten nur eine Stimme mehr als die absolute Mehrheit gehabt, die zur Wahl des Regierenden Bürgermeisters notwendig ist. SPD und CDU haben dagegen mit 86 Mandaten 10 Stimmen mehr.

Damit steht die Hauptstadt nach fast zehn Jahren Rot-Rot vor einer Neuauflage der großen Koalition. Von 1991 bis 2001 hatten SPD und CDU unter umgekehrten Vorzeichen miteinander in Berlin regiert - die SPD als Juniorpartner in dem vom Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) geführten Senat.

Der Berliner SPD-Landesvorsitzende Michael Müller kündigte am Abend an, es werde nun Vorgespräche mit der CDU für Koalitionsverhandlungen geben. Diese sollten möglichst schon in der kommenden Woche beginnen. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Dilek Kolat sagte: „Enttäuschung war auch eindeutig da. Aber die Einsicht war auch sehr groß.“

Die Christdemokraten sind nach den Worten ihres Landes- und Fraktionsvorsitzenden Frank Henkel bereit. „Sollte es ein Verhandlungsangebot der SPD geben, werden wir uns dem nicht verschließen“, sagte Henkel der Nachrichtenagentur dpa.

Wowereit sagte in der RBB-Abendschau: „Wir sollten daran arbeiten, eine solide Regierung hinzukriegen, die tragfähig ist.“ Entspannt sei nichts. „Die CDU ist eine konservative Partei, die SPD eine linke.“

Fragen nach einer Zusammenarbeit mit der Piratenpartei wehrte Wowereit lachend ab. „Auch eine interessante Variante“, sagte er ironisch. Die Berliner Piraten hatten auf einer Sondersitzung ihrer Fraktion beschlossen, den anderen Parteien im Landesparlament Sondierungsgespräche anzubieten. Rechnerisch wäre im neuen Berliner Abgeordnetenhaus auch ein Bündnis von SPD, Linken und Piratenpartei möglich. Linke und Piraten sind aber auch gegen die A100.

Die Grünen-Bundesspitze äußerte sich tief enttäuscht über die Absage der SPD. Die Vorsitzenden Claudia Roth und Cem Özdemir kritisierten: „Es ist ein Offenbarungseid für die SPD insgesamt, dass Klaus Wowereit nun mit der CDU den Rückwärtsgang einlegen und eine Politik von Gestern machen will, die auf unsinnige Betonprojekte, auf soziale Kälte, auf ausgrenzende Integrationspolitik und Ignoranz in Bezug auf die Klimaschutzpolitik setzt.“

Renate Künast, die Wowereit bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus am 18. September als Spitzenkandidatin unterlegen war, warf Wowereit vor, sein Ziel sei von Anfang an Rot-Schwarz gewesen. „Er wollte eine Kapitulation und keine Koalition.“

Die SPD will die Stadtautobahn um 3,2 Kilometer verlängern. Die Grünen lehnen das ab. Beide Seiten gaben sich gegenseitig die Schuld dafür, dass ein Kompromiss nicht gefunden werden konnte. Die Grünen argumentierten, sie hätten zugestanden, 900 Meter der Autobahn weiter zu bauen und die Strecke dort enden zu lassen. Danach könne man weiter sehen. Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann sagte: „Wir waren dazu bereit. Wir waren sogar bereit zu sagen, es gibt einen Baubeginn.“