Sahra Wagenknecht Sammlungsbewegung „Aufstehen“ offiziell aus der Taufe gehoben

Sahra Wagenknecht stellt ihre linke Sammlungsbewegung mit bislang 100 000 Unterstützern in Berlin vor.

Berlin. Gleich am ersten Tag ist der Server zusammengebrochen. 101 000 Menschen haben sich bis Dienstag früh „Stand acht Uhr“ schon bei der neuen linken Sammlungsbewegung „Aufstehen“ registriert. Das berichtet Sahra Wagenknecht, Initiatorin und Links-Fraktionschefin im Bundestag. Sie spricht von einem „überwältigenden Echo“. Die Bundespressekonferenz ist bei ihrem Auftritt voll, wie sonst nur bei der Bundeskanzlerin. Denn es riecht ein bisschen nach sanfter Revolution.

„Wir wollen Politik verändern“, sagt die Spitzenpolitikerin der Linken. Die Sammlungsbewegung soll keine Partei sein, steht in dem vierseitigen Aufruf. Also auch nicht zu Wahlen antreten wie etwa „Podemos“ in Spanien oder „En Marche“ in Frankreich. Sondern die Parteien des linken Lagers, SPD, Grüne und Linke, so verändern, dass sie zusammenarbeiten. „Aufstehen“ soll Druck machen für Rot-Rot-Grün. Zu den 80 Erstunterzeichnern gehören Schriftsteller wie Christoph Hein und Ingo Schulze, Künstler wie Nina Hagen und Lisa Fitz, und einige Politiker von SPD, Linken und Grüne. Allerdings eher welche aus der dritten Reihe. Oder von früher.

Neben Wagenknecht sitzen bei der Pressekonferenz zwei dieser Underdogs ihrer eigenen Parteien auf dem Podium. Zum einen Ludger Volmer, einst Staatsminister unter Außenminister Joschka Fischer, ein Gründungsmitglied der Grünen. Er nennt sich „Dissident“ und wirft seiner Partei vor, ihre Gründungsmotive Pazifismus und soziale Orientierung aufgegeben zu haben.

Jetzt wolle er sich nach 13 Jahren wieder einmischen. Zum anderen Simone Lange, Oberbürgermeisterin von Flensburg und engagierte GroKo-Gegnerin, die im Januar als überraschende Basiskandidatin gegen Andrea Nahles als SPD-Parteivorsitzende antrat und klar unterlag. Die neue Bewegung, sagt Lange, solle „das Verbindende suchen“, denn die Demokratie sei durch die AfD gefährdet. Es unterstützen damit nur Vertreter der jeweils linken Flügel ihrer drei Parteien die Aktion.

Oskar Lafontaine, Wagenknechts Ehemann, Ex-SPD-Chef und Mitinitiator der neuen Sammlungsbewegung, ist nicht zur Pressekonferenz erschienen.

Das, was „Aufstehen“ befördern soll, eine linke politische Mehrheit, gab es schon einmal im Bundestag: Zwischen 2013 und 2017. Wagenknecht nennt das selbst zu Beginn eine „nicht genutzte Chance“. Sie wird nach ihrer Rolle dabei gefragt und antwortet zum einen damit, dass das eine müßige Debatte sei, „Schnee von gestern“. Denn jetzt gebe es diese Mehrheit nicht mehr. Zum anderen sagt sie, dass ein rot-rot-grünes Bündnis mitnichten an Maximalforderungen von ihr und ihrer Partei gescheitert sei, sondern an den anderen. „Für ein ‚weiter so‘ standen wir nicht zur Verfügung.“

Viele Fragen müssen die Initiatoren zu ihren konkreten politischen Zielen beantworten. Denn der Aufruf-Text ist sehr vage gehalten. Zum Beispiel steht da nur etwas von einem „lebensfreundlichen Klima“. Nicht, ob die Kohlekraftwerke abgeschaltet werden sollen. Oder von „Hilfe für Menschen in Not“. Nicht, ob abgelehnte Asylbewerber auch abgeschoben werden sollen. Ein detailliertes Programm werde in einem transparenten Diskussionsprozess von allen Unterstützern erarbeitet werden, erklärt Wagenknecht. Dafür gebe es online das Programm „pol.is“. Man wolle jedoch nicht nur eine Internet-Gemeinschaft bleiben, sondern auch örtliche Aktivitäten entfalten. „Aber keine muffigen Hinterzimmerdebatten.“

Nach der Vorstellung ist die Parteispitze der Linken auf Abstand gegangen. „Die Initiative ‚Aufstehen‘ ist ein Projekt von Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine, das ist kein Projekt der Partei Die Linke“, sagte Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler am Dienstag. Aufgabe der Linkspartei sei es, als Partei für die Stärkung der Linken und ihrer politischen Ziele zu kämpfen. Neue Querelen in der Partei befürchtet Schindler nicht: „Ich sehe nicht, wie das innerhalb der Linkspartei zu irgendeinem innerparteilichen Streit führen kann“, sagte er.