Politik Scharfe Schüsse gegen Altmaier

SPD und Opposition kritisieren Doppelrolle des Kanzleramtschefs im Wahlkampf — sind aber selbst nicht besser

Foto: Michael Kappeler

Berlin. Aus allen Rohren schossen die SPD und andere Parteien am Dienstag auf Peter Altmaiers Doppelrolle als Kanzleramtsminister und CDU-Wahlkämpfer. Sogar Rücktrittsforderungen gab es. Dabei ist die Verquickung von Regierungsamt und Parteitätigkeit alles andere als ungewöhnlich. Auch nicht bei den Sozialdemokraten.

Es ist gerade einmal eine Woche her, da stand Manuela Schwesig, ihres Zeichens Familienministerin, vor der Presse im Willy-Brandt-Haus und verkündete eine wichtige Forderung des SPD-Wahlprogramms. Die Familienarbeitszeit. Sprecherinnen ihres Ministeriums warteten im Hintergrund, es gab Infomaterial. Aufdruck: SPD. Anfang März hatte eine andere Ministerin in der SPD-Zentrale ebenfalls eine Pressekonferenz gegeben, in ganz ähnlicher Mission: Andrea Nahles, in der Regierung zuständig für Arbeit und Soziales, veröffentlichte ihr Konzept für ein „Arbeitslosengeld Q“. Spitzenkandidat Martin Schulz hatte sie damit beauftragt. Schulz hat die Verquickung zwischen Regierungsämtern und Parteiaufgabe sogar zur Strategie erhoben: Er wolle nicht mit einem Schattenkabinett in die Wahlschlacht ziehen, erklärte er. Vielmehr sollten einzelne prominente Spitzenkräfte, darunter auch Minister, Teile des Programms entwerfen und für diese Themen stehen.

Das hinderte die Sozialdemokraten freilich nicht, nun die Union heftig aufs Korn zu nehmen. Kaum war am Montag der Beschluss bekannt geworden, dass Altmaier das CDU-Wahlprogramm schreiben soll, twitterte SPD-Kommunikationschef Tobias Dünow: „Wer wird denn jetzt neuer Kanzleramtsminister? Es ist ja undenkbar, dass Partei- und Regierungsgeschäfte miteinander verquickt werden.“ Dünow war übrigens jahrelang Sprecher von Sigmar Gabriel im Wirtschaftsministerium — und kümmerte sich dort vor allem um die Parteiaufgaben des damaligen SPD-Chefs. Weitere SPD-Politiker hieben auf Altmaier ein: Der Kanzleramtsminister könne nicht gleichzeitig ehrlicher Makler der Regierungskoalition sein und das CDU-Wahlprogramm schreiben, fand Finanzexperte Carsten Schneider. Freilich gibt es kaum noch etwas zu makeln, weil die Koalition jetzt kaum noch Gesetze vorbereitet, die nicht schon verabredet sind. „Zentrale Wahlkampfleitung und Leitung des Kanzleramts müssen strikt getrennt bleiben“, sagte SPD-Vize Ralf Stegner und Generealsekretärin Katarina Barley fand, Angela Merkel setze sich über anerkannte Spielregeln hinweg. Das Ganze sei „hochproblematisch“. Ähnlich äußerte sich die Linke. Am heftigsten reagierte FDP-Vize Wolfgang Kubicki, der den Rücktritt Altmaiers forderte. Der Vorgang sei „eklatant verfassungswidrig“. Eine solche „Unverfrorenheit“ sei „einmalig in der Geschichte des demokratischen Deutschlands“.

Das war sie auch unter FDP-Regierungsverantwortung nicht. Erinnerlich ist etwa die Überlassung teils vertraulicher Informationen des seinerzeit von FDP-Chef Guido Westerwelle geführten Außenministeriums an die internationale Abteilung der eigenen Parteizentrale. Oder die in Wahlkampfjahren auffallend intensiven, mit öffentlichen Geldern finanzierten PR-Maßnahmen durch alle Bundestagsfraktionen, besonders aber der FDP. Der Rechnungshof monierte das regelmäßig bei fast allen Parteien. Ebenso die Öffentlichkeitsarbeit einzelner Ministerien oder auch von Landesregierungen in Wahlkampfzeiten.

Auch in einem anderen Punkt ist der Auftrag zur Verfassung des Wahlprogramms an Altmaier nicht so außergewöhnlich. Viele sehen darin zwar eine Entmachtung von Generalsekretärs Peter Tauber. Und tatsächlich gilt der Mann als glück- und einflusslos. Doch werden auch die Wahlprogramme aller anderen Parteien nicht von den Generalsekretären geschrieben. Auch nicht von Katarina Barley bei der SPD. Das hat sich Martin Schulz selbst vorbehalten.