Schlagabtausch am Aschermittwoch
München/Demmin (dpa) - Mit heftigen gegenseitigen Angriffen haben die Parteien beim politischen Aschermittwoch einen Vorgeschmack auf die anstehenden Wahlkämpfe gegeben - nur Bundeskanzlerin Angela Merkel blieb betont sachlich und rechnete auch nicht mit der FDP ab.
Die in Umfragen am Boden liegenden Freien Demokraten, die sich mit Joachim Gauck als Kandidat für das Bundespräsidentenamt gegen Merkel durchgesetzt hatten, zeigten neues Selbstbewusstsein und feierten Parteichef Philipp Rösler. SPD, Grüne und Linke kritisierten das Verhalten der Koalition in der Affäre um den am vorigen Freitag zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff und das Tohuwabohu bei Gaucks Nominierung.
Merkel reagierte bei einer CDU-Veranstaltung in Demmin in Mecklenburg-Vorpommern auch nicht auf den Auftritt des christdemokratischen EU-Parlamentariers Werner Kuhn, der Wulff als Geizkragen verhöhnte. Statt markiger Sprüche wählte die Parteichefin eine betont sachliche Sprache. Sie bekannte sich zum Kampf gegen Rechtsextremismus: „Wir haben mit denen, die Rechtsextremisten sind, nichts gemein, da gibt es keine Toleranz.“
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer, als Bundesratspräsident derzeit auch geschäftsführendes Staatsoberhaupt, gab sich zahm. Der CSU-Chef hielt sich vor tausenden Anhängern in Passau bei der traditionell herben Auseinandersetzung zurück. Er unterstrich die Vorreiterrolle Bayerns in Deutschland. „Wo wir sind, ist oben.“
Rösler bot der Union, in der es nach wie vor Unmut wegen des FDP-Vorgehens gibt, dagegen erneut die Stirn. „Wenn man uns droht, lassen wir uns davon nicht einschüchtern, sondern wir werden nur noch größer“, sagte der Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler in Dingolfing. Mit hochgekrempelten Ärmeln gab sich Rösler kämpferisch, auch mit Blick auf die bevorstehenden Landtagswahlen im Saarland und in Schleswig-Holstein: „Wer sich selbst zum Weißwürstchen macht, darf sich nicht wundern, dass er als solches verspeist wird.“
SPD-Chef Sigmar Gabriel attackierte Wulff, kritisierte Merkel und verspottete die Kandidatensuche der schwarz-gelben Koalition. Merkel habe solche Leute in Amt und Würden gebracht wie Wulff, „der sich wie ein Amigo benimmt, der das Land sich selbst und der CDU zur Beute macht“, sagte Gabriel in Vilshofen. „Es wird Zeit, dass wir nicht nur einen besseren Bundespräsidenten bekommen, sondern auch einen besseren Bundeskanzler oder eine bessere Bundeskanzlerin.“
Auch Grünen-Chefin Claudia Roth griff die Regierung wegen deren Umgangs mit der Wulff-Affäre scharf an. Merkel habe zu lange ihre schützende Hand über Wulff gehalten. Schwarz-Gelb sei eine „Chaos-Truppe“.
Fünf Jahre nach seinem Sturz mischte sich der als langjähriger Aschermittwochs-Matador reaktivierte Ex-CSU-Chef Edmund Stoiber wieder in die Tagespolitik ein. Umjubelt von tausenden Anhängern forderte er Fingerspitzengefühl von der derzeitigen CSU-Führung in der Euro-Krise. „Ich stehe im Maschinenraum Europas und erlebe, wie fragil das Ganze ist“, sagte Stoiber, der EU-Beauftragter für Bürokratie-Abbau ist, in Passau. Zudem forderte er die CSU indirekt auf, Vorbehalte gegen Gauck aufzugeben. Dieser sei eine sehr gute Wahl. „Man kann auch mit dem zweiten Aufschlag ein Ass verwandeln.“
Linken-Chef Klaus Ernst kritisierte in Tiefenbach, Merkel habe seine Partei bei der Kandidatenauswahl ausgegrenzt. „Sie macht denselben Fehler der Ausgrenzung wieder. Das finden wir schäbig und unangemessen“, rief Ernst unter dem Jubel von rund 350 Anhängern. Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi sprach von einem „Skandal“.
Gabriel ließ auch an der CSU kein gutes Haar, die am vergangenen Samstag gesagt habe, man sei gegen den neuen Kandidaten Gauck, und ihm am Sonntag dann die Gefolgschaft versprochen habe. „Das ist frei nach Horst Drehhofer - was stört mich mein Geschwätz von gestern?“
Seehofer erneuerte seine Kritik am Länderfinanzausgleich und forderte von den anderen Ländern mehr Anstrengungen. Bayern zahle das meiste Geld in den Finanzausgleich. Das zeige, dass das System aus dem Ruder gelaufen sei. „Und ein bescheuertes System kann man nicht so lassen“, sagte Seehofer - ein vom baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) übernommenes Zitat. Seehofer fügte hinzu: „Ich verspreche Euch, Bayern wird das erste schuldenfreie Land in Deutschland sein.“
Rösler nahm die SPD-Spitze aufs Korn und verspottete sie als „die drei scheinheiligen Könige“ und die „Lehman-Brothers der Sozialdemokratie“. In die gleiche Kerbe schlug CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. „Ich habe schon erklärt: Sigmar Gabriel ist übergewichtig und unterbegabt“, sagte er. „Das war untertrieben. Gabriel ist ein übler Foulspieler.“