Personaldebatte Schulz will nicht für SPD-Fraktionsvorsitz kandidieren
Berlin · Nach dem SPD-Debakel bei der Europawahl tobt eine Personaldebatte um Partei- und Fraktionschefin Nahles. Einer, der als möglicher Gegenkandidat für die Fraktionsspitze gehandelt wurde, macht jetzt eine Ansage.
Der frühere SPD-Chef Martin Schulz will bei einer Neuwahl der Fraktionsspitze nicht gegen Andrea Nahles antreten. „Ich werde nicht für den Fraktionsvorsitz kandidieren“, schrieb er in einer E-Mail an die SPD-Abgeordneten, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt und über die auch „Focus Online“ und die „Rheinische Post“ berichteten. Schulz verweist darin auf ein vertrauliches Gespräch, in dem er Nahles dies bereits vor zwei Wochen mitgeteilt habe. An seiner Entscheidung habe sich auch nach dem Europawahl-Debakel nichts geändert. Die Haltung des Parteivorstands, nun keine Personaldebatten zu führen, halte er für richtig.
Die SPD-Fraktion wollte am Mittwochnachmittag über Konsequenzen aus den Niederlagen bei der Europa- und Bremenwahl diskutieren. Das Debakel hatte eine Diskussion über die politische Zukunft von Partei- und Fraktionschefin Nahles befeuert. Der Bundestagsabgeordnete Florian Post forderte sie vor der Sondersitzung zum Rücktritt auf: „Alle hoffen, dass der Spuk bald ein Ende hat“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Nur weil es Andreas Kindheitstraum war, Führungspositionen in der SPD zu besetzen, darf sie jetzt nicht die ganze Partei in Geiselhaft nehmen.“
Nahles hatte am Montagabend überraschend angekündigt, sich kommende Woche einer vorgezogenen Neuwahl in der Bundestagsfraktion zu stellen. Der Parlamentarische SPD-Geschäftsführer Carsten Schneider forderte Nahles-Kritiker auf, jetzt Flagge zu zeigen: „Ich kann nur sagen: Entweder Mut haben, selber in den Ring steigen, oder Klappe halten“, sagte er im ARD-„Morgenmagazin“. Die SPD brauche vor den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen Klarheit, argumentierte Schneider. „Und da ist das Gegrummel, das auch vor der Europawahl stattgefunden hat, schädlich.“
Auch Fraktionsvize Katja Mast betonte, eine Personaldiskussion über die Sommerzeit - und damit vor den Wahlen in Ostdeutschland - könne sich die SPD nicht leisten. Es sei richtig, dass die Führungsfrage in der Fraktion jetzt gestellt werde - „und ich für meinen Teil finde, dass Andrea Nahles uns gut als Fraktionsvorsitzende führt“, sagte die Sozialpolitikerin vor der Sondersitzung der Fraktion.
Der Fraktionsvorstand wollte am Mittwoch entscheiden, ob er Nahles Vorschlag für eine vorgezogene Vorstandswahl annimmt. Diese war eigentlich erst im September geplant. Sie soll nach dem Vorschlag von Nahles nun am kommenden Dienstag erfolgen. Einen Gegenkandidaten oder eine Gegenkandidatin zu Nahles gab es zunächst nicht.
Nahles Ankündigung hatte bei manchen SPD-Politikern Ärger ausgelöst. Der Vorsitzende der SPD in Nordrhein-Westfalen, Sebastian Hartmann, bemängelte ausgebliebene Absprachen. „Ich bin überrascht, dass wir am Montag im Parteivorstand über Zusammenhalt und inhaltliche Profilschärfung gesprochen haben, mit klaren Verabredungen für die nächsten Schritte, und dann wenige Stunden danach plötzlich über die Medien eine Fraktionsvorsitzenden-Wahl ausgerufen wird“, sagte er der „Westdeutschen Zeitung“ (Mittwoch). „Wir müssen uns immer fragen: Interessiert das irgendeinen Wähler außerhalb der SPD?“
Nach Informationen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (Mittwoch) gibt es ferner SPD-intern Zweifel daran, dass eine vorgezogene Wahl ohne den vorherigen Rücktritt von Nahles rechtlich gültig wäre. Nahles-Kritiker verweisen demnach auf die Geschäftsordnung der SPD-Bundestagsfraktion, in der es heißt, dass Mitglieder des Fraktionsvorstandes bis zur Mitte der Legislaturperiode gewählt seien. Diese Frist könne man nicht beliebig verkürzen.
Mit 15,8 Prozent hatten die Sozialdemokraten am Wochenende bei der Europawahl historisch schlecht abgeschnitten und landeten auf Platz drei hinter den Grünen.
Einer der dpa vorliegenden Yougov-Umfrage zufolge sind 59 Prozent der Deutschen der Ansicht, dass die Grünen in den nächsten Jahren regelmäßig vor der SPD landen werden, 19 Prozent gehen nicht davon aus. Auf der anderen Seite wären demnach 31 Prozent der Deutschen dafür, dass die Grünen dauerhaft zweitstärkste politische Kraft werden, 30 Prozent sind dagegen.