Streit mit Merkel Seehofer verschiebt Vorstellung seines Asylplans

Berlin (dpa) - In der Union ist der Streit über die Flüchtlingspolitik neu aufgeflammt. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) verschob am Montag überraschend die Vorstellung seines sogenannten Masterplans Migration.

Foto: dpa

Hintergrund sind Differenzen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Frage, welche Flüchtlinge künftig an der deutschen Grenze zurückgewiesen werden sollen. SPD und FDP sprachen von einem „Desaster“, auch aus CDU und CSU kam Kritik. CDU und CSU hatten erst im Herbst ihren langen Streit über eine Obergrenze für Flüchtlinge beigelegt.

Seehofer dringt auf eine rasche Einigung in dem neu aufgebrochenen Konflikt. „Ich habe eine Verantwortung für dieses Land, nämlich dass wir steuern und ordnen. Und ich kann das nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben“, sagte Seehofer am Montagabend vor einer Sitzung der CSU-Landesgruppe im Bundestag in Berlin. Es gebe noch Gesprächsbedarf. Er hoffe aber, dass die Suche nach einer Lösung nicht allzu lange dauern werde. In der Sitzung sagte er nach einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND), sein Plan müsse „so kommen“. Das RND berief sich auf Teilnehmer. Er sei nicht bereit, „einen halben Plan mit faulen Kompromissen zu veröffentlichen“, sagte Seehofer demnach.

Seehofer wollte sein lange angekündigtes Konzept eigentlich an diesem Dienstag präsentieren. Ein neuer Termin steht noch nicht fest.

Der Plan Seehofers sieht nach Informationen der „Bild am Sonntag“ vor, dass Flüchtlinge ohne Papiere und abgeschobene Asylbewerber, die nach Deutschland zurück wollen, an der Grenze abgewiesen werden sollen. Das hätte vor allem für das Nachbarland Österreich erhebliche Konsequenzen. Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz wird an diesem Dienstag von Merkel im Kanzleramt empfangen. Seehofer trifft sich am Mittwochmittag mit Kurz.

Merkel hatte am Sonntagabend in der ARD-Talkshow „Anne Will“ gesagt: „Ich möchte, dass EU-Recht Vorrang hat vor nationalem Recht.“ Im CDU-Bundesvorstand argumentierte die Parteichefin am Montag, nationale Maßnahmen an der Grenze widersprächen europäischem Recht. Sie plädiert seit längerem für eine europäische Lösung und setzt dafür auf die am 1. Juli beginnende EU-Ratspräsidentschaft Österreichs.

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur machte Merkel im Parteivorstand deutlich, dass sie bei einseitigen Maßnahmen Deutschlands eine Entsolidarisierung in der EU befürchte. Zudem würden die Verhandlungen mit Kurz schwieriger, da Österreich von diesen Maßnahmen am stärksten betroffen wäre.

Nach anderen dpa-Informationen spielte das Thema auch in der Sitzung des Unionsfraktionsvorstands eine größere Rolle. Dort soll es viel Zuspruch zu den Plänen Seehofers gegeben haben. Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) stellte sich hinter dessen Vorstellungen. Die Bundespolizei müsse Migranten, die schon eine Einreisesperre hätten und deren Asylantrag abgelehnt sei, zurückweisen - „und zwar an der Grenze“, sagte er der dpa.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt kritisierte Merkel indirekt dafür, dass sie wegen europapolitischer Bedenken die Vorstellung des Masterplans Migration verhindert hat. Alle seien lange Zeit auf die Veröffentlichung vorbereitet gewesen, auch die Themen seien schon breit diskutiert worden, sagte Dobrindt am Montag vor der Sitzung der CSU-Landesgruppe. Die CSU habe daher „nicht so viel Verständnis, dass es offene Fragen gibt, oder Fragen aufgemacht werden, die wir eigentlich geklärt“ hatten. „Wir wollen nichts anderes, als dass europäisches Recht hier auch seine Anwendung findet, letztlich die Ordnung an diesen Grenzen dann auch wieder hergestellt wird.“

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Burkhard Lischka, reagierte erstaunt auf die Absage. „Seehofers Masterplan wird zum Desasterplan der Union“, erklärte er in Berlin. Offensichtlich sei der Minister mit seinen Ideen bei der Kanzlerin nicht durchgedrungen. SPD-Vize Ralf Stegner warf der CSU vor, keine vernünftigen Konzepte vorzulegen, sondern Ideologie zu betreiben. „Das ist alles nur dem bayerischen Landtagswahlkampf geschuldet. Man kann aber nicht immer mit der Schrotflinte in die Gegend ballern.“

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte Seehofer auf, geltendes Recht zu respektieren. „Der Umgang mit Flüchtlingen lässt sich nur europäisch und nicht bayerisch regeln“, betonte sie. Auch die migrationspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Linda Teuteberg, sprach von einem „Desaster“ für die Bundesregierung. Der Konflikt in der Union blockiere die Regierung und das Land. Sevim Dagdelen, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung sei weiterhin kopf- und planlos.

Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt sah in dem Konflikt keinen Streit zwischen Merkel und Seehofer. Für ihn gehe es um die „fundamentale Frage, ob sich die EU in Zukunft zum rechtsfreien Raum entwickelt oder sich als Werte- und Rechtsgemeinschaft versteht“.